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rezensionen

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03.03. Die weiße Mafia
16.02. Das Mädchen mit den schwarzen Strümpfen
11.02. Im Dutzend zur Hölle
28.01. Die Engel von St. Pauli
21.01. Die Todeskralle des grausamen Wolfes
06.01. Die Mörderklinik
12.12. Paul Temple: Jagd auf Z
27.11. Die drei Supermänner räumen auf
30.10. Die Heuchler
10.10. X 312 … Flug zur Hölle...
03.10. Das Todeslied des Shaolin
15.09. Der Koloss von Konga
26.08. Das Omen des Bösen
11.08. Menschen im Hotel
06.08. Mädchen: Mit Gewalt

kurzrezension

09.11. Return of the Warrior
30.05. Iron Sky - Director's Cut (blu-ray)
21.05. Captain Invincible oder „Wer fürchtet sich vor Amerika?“
22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

blu-ray

Der vergiftete Aufstieg

Stadt der Gewalt - Shinjuku Incident

Stadt der Gewalt - Shinjuku Incident

Der Aufstieg und Fall eines Menschen gehört zu den beliebten Geschichten des Kinos. Zahlreiche Gangsterfilme wie beispielsweise Brian de Palmas „Scarface“ (USA 1983) nutzten sie zur Inszenierung eines packenden Dramas. Derek Yees „Stadt der Gewalt“ teilt mit de Palmas Werk zwar die Immigrantenthematik, stellt aber nicht den schillernden Größenwahn einer Einzelfigur in den Vordergrund, sondern widmet sich der sozialen Tragödie einer Gemeinschaft, die illegale chinesische Einwanderer im Japan der 90er Jahre bilden. Der innere Zusammenhalt ist für die Chinesen die einzige Chance, um im fremdartigen, unübersichtlichen Tokio überleben zu können. Auf der Suche nach seiner Freundin Xiu Xiu gelangt auch der in ländlichen Verhältnissen aufgewachsene Tietou in die japanische Hauptstadt. Dort wird er schnell Teil der gemeinschaftlich organisierten Gruppe der Landsleute, die sich mit Gelegenheitsjobs und Kleinkriminalität durchs Leben schlagen. Durch das Bandenmilieu inspiriert, das die Stadtviertel Tokios unter sich aufgeteilt hat, in denen auch die Chinesen wohnen, sieht Tietou eine Chance zum Aufstieg. Erst sollen Macht, Geld und eine Aufenthaltsgenehmigung erlangt werden, dann besteht die Möglichkeit auf ein ruhiges, anständiges Dasein. Mit energischer Durchsetzungskraft, die auch vor Mord nicht zurückschreckt, formiert Tietou eine chinesische Organisation, die einen immer größeren Einfluss gewinnt. Mit zunehmendem Erfolg wird aber auch die Verstrickung ins Geflecht der unterschiedlichen Banden größer, die mit ihrer organisierten Kriminalität das soziale Netz in diesen Stadtvierteln Tokios bilden.

Jackie Chan, der in „Stadt der Gewalt – Shinjuku Incident“ ohne Kampfkunsteinlagen auskommt, verkörpert eine Figur, die sich in einem tragischen Dilemma befindet. Ohne Einfluss und Loyalitäten im kriminellen Milieu, wird es ihm als illegalem Einwanderer unmöglich sein, eine Existenz jenseits schäbiger Gelegenheitsjobs mit Ausbeutungsmechanismen aufzubauen. Stadt der Gewalt - Shinjuku Incident Deswegen sind seine guten Absichten, die nicht nur ihm sondern auch seinen Landsleuten ein anständiges Dasein verschaffen sollen, mit einer vergifteten Bürde belastet. Er muss nicht nur selbst einen Pakt mit dem Teufel des Verbrechens schließen, er führt auch seine Landsleute viel tiefer in das Milieu hinein, als sie ohne ihn gegangen wären. Die Folge ist zwar der erhoffte Aufstieg, gleichzeitig streckt aber das Verführungspotential der Kriminalität seine krakenartigen Arme in die Richtung der Chinesen aus, um sie festzuhalten. Tietou begibt sich mit der Naivität desjenigen in seine Aktionen, der daran glaubt, den befreiten Flaschengeist kontrollieren zu können. Bei seinem zielstrebigen Aufstieg übersieht er die Komplexität des Systems, in das er sich begeben hat. Dazu zählen einerseits die diversen Organisationen, denen die Chinesen bei ihrem Erfolg Macht wegnehmen mussten, und andererseits die psychologischen Folgen erfahrenen Leids als ausgegrenzte illegale Einwanderer.

Während Tietou das anständige Leben als klares Ziel vor Augen hat, geht es den übrigen Mitgliedern seiner formierten Solidargemeinschaft entweder nur um ein Dasein, das entsprechend Geld abwirft, oder aber sie mussten wie sein Bruder Jie erfahren, dass die Gewalt nicht an den Grenzen des kriminellen Milieus halt macht. Mit seinem Kastanienstand wird Jie mehrfach ein Opfer brutaler Übergriffe, wobei ihm beim zweiten mal die Solidarität untereinander zum Verhängnis wird. Er nimmt nur kurz die Position eines Landsmanns ein, der während seines kriminellen Tuns die Toilette aufsuchen muss. Dabei wird er von denjenigen aufgegriffen, gegen die die gerade laufende Aktion gerichtet ist.

Mit konsequenter Härte knüpft Yee das dramatische Netz der miteinander verschlungenen Abhängigkeiten und Handlungsweisen, die ein präzises Bild des letztlich zum Scheitern verurteilten Solidarsystems zeichnen. In Verbindung mit dem umgebenden Bandenmilieu und den Schwierigkeiten als illegale Einwanderer entwickelt sich schleichend eine Triadenorganisation, die schließlich in den damit verbundenen Handlungsmustern gefangen ist. Die Vision Tietous, die Möglichkeiten des kriminellen Milieus nur als Mittel zum Zweck zu verwenden, steht den Verführungsmechanismen der Macht gegenüber. Yee gelingt es, das Dilemma dieses Widerstreites in einer intensiven Dramaturgie zu verdichten, die manche Aspekte der sozialen Tragik deswegen nur anreißt. Die Diskussion in der japanischen Öffentlichkeit über die illegalen Einwanderer findet innerhalb des Films in kurzen Ausschnitten einer Fernsehsendung statt, bleibt aber darüber hinaus diffus. Das schwächt „Stadt der Gewalt – Shinjuku Incident“ aber nicht, da er den Fokus auf die Innenperspektive der Chinesen legt. Mit eindrucksvollen Bildern, die durch ausgefeilte Farb- und Lichtkompositionen bestechen, unterstreicht Yees Kameramann Nobuyasu Kita die jeweiligen emotionalen Momente. Hinzu kommt ein Jackie Chan, der die ambivalente Rolle des Tietou wirksam ausfüllt, um die Tragik der Geschichte lebendig werden zu lassen.

Bildqualität

Die Schärfe des sauberen Bildes der Bluray überzeugt mit klaren Konturen und einem Detailreichtum, der zwischen sehr hoch und ansprechend schwankt. Die wundervolle Farbdramaturgie des Films wurde sehr gut auf die Bluray übertragen, die mit kräftigen Tönen überzeugt. Der Kontrast sorgt für eine klare Abgrenzung der einzelnen Elemente, der Schwarzwert gleitet teilweise aber in ein leichtes Grau ab. Das leichte Hintergrundrauschen stört nicht, sonstige Rauschmuster sind nicht zu sehen.

Tonqualität

Die DTS-HD-Master-5.1-Tonspuren überzeugen mit klaren, verständlichen Dialogen und einer souveränen Surroundabmischung. Immer wieder werden auch die hinteren Lautsprecher genutzt, ohne mit übertriebener Dynamik die brodelnde Atmosphäre innerhalb des Dramas zunichte zu machen, der explizit kein bombastischer Actionfilm ist. Geschickt verteilt sich so die Geräuschkulisse mit einer Unruhe auf die Lautsprecher, die das Geschehen sehr gut unterstützt. Hinzu kommt der Musikeinsatz, der sich ebenfalls mit guter Bandbreite bemerkbar macht.

Extras

Stadt der Gewalt - Shinjuku Incident

Das Making Of (etwa 16 Minuten) liefert die übliche Mischung aus Interviewpassagen, B-Roll-Material und Filmausschnitten. Da es zu Werbezwecken montiert wurde, bietet es kaum Informationen.

„Behind the Scenes“ (etwa 1 Stunde und 45 Minuten) besteht aus unkommentiertem B-Roll-Material, das in einzelne Kapitel (unter anderem „Actionszenen“, „Massenszenen“, „Regisseur“, „Hongkong-Crew“) unterteilt ist. Die Gespräche der einzelnen Stabmitglieder werden zu einem großen Teil mit einer deutschen Voice-Over-Stimme übersetzt. Letzteres verhindert, dass das Material so gut wie keinen Wert hat, aber auch so ist es in der Länge sehr ermüdend. Einzelne Teile sind aber auch faszinierend anzusehen, da die Einrichtung des Drehs recht spannend sein kann. Die Aufnahmen der vielen Fans, die als Zaungäste das Geschehen am Set beobachten, sind ebenfalls recht amüsant.

Die Interviews mit zahlreichen Darstellern (darunter Jackie Chan, Daniel Wu und Jinglei Xu) und Stabmitgliedern (etwa 1 Stunde und 45 Minuten) sind demgegenüber sehr gut. Nahezu jedes Gespräch fängt zwar mit einer Inhaltsangabe des Films an, danach folgen aber interessante Einblicke in die Arbeit am Set, die beispielsweise das unkommentierte B-Roll-Material nicht vermitteln kann, da es keine Zusammenhänge herstellt. Insbesondere Chan geht darüber hinaus detailliert auf seine Rollenauswahl ein, die sowohl seine Mitarbeit an „Shinjuku Incident“ beeinflusst hat, als auch seine zukünftigen Projekte in differenzierte Bahnen lenken soll. Dabei reflektiert er seine eigene Leinwandpersona und stellt eine Verbindung zu den Erwartungen des Publikums her. In anderen Interviews steht neben der Arbeit am Set und der Beziehung zu den Kollegen auch die Rolle des Regisseurs im Fokus. Insgesamt überzeugen die Interviews durch eine Fülle an Informationen, welche den Film und die Arbeit an ihm reflektieren. Sehr gut.

Bei den Deleted Scenes (etwa vier Minuten) handelt es sich zum zwei Alternativfassungen im Film enthaltender Szenen, die aber nicht stark abweichen.

Eine Bildergalerie ist wie ein Trailer ebenfalls enthalten.

Fazit

„Stadt der Gewalt – Shinjuku Incident“ zeigt das tragische Scheitern einer Vision, die ihre guten Absichten mit Hilfe eines Systems erreichen wollte, das aufgrund seiner kriminellen Ausrichtung den Absichten der Vision entgegensteht. Derek Yee ist es gelungen, das vielfältige Geflecht aus sozialen Abhängigkeiten, Verrat, erfahrenem Leid und Naivität auf konsequente Weise zu verdichten. Technisch liegt die Bluray im oberen guten Bereich.

Stefan Dabrock

06.03.2010

   
Originaltitel San suk si gin (Hongkong 2009)
Länge 115 Minuten (1080i)
Studio New KSM
Regie Derek Yee
Darsteller Jackie Chan, Naoto Takenaka, Daniel Wu, Jinglei Xu, Masaya Katô, Tôru Minegishi, Jack Kao, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DTS-HD 5.1 Deutsch, Kantonesisch
Untertitel Deutsch
Extras Making Of, Behind the Scenes, Deleted Scenes, u.m.
Preis ca. 20 EUR
Bewertung sehr gut, technisch sehr gut