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Das Zentrum der Kampfkunst

Ashes of Time Redux

Rezension von Stefan Dabrock vorlesen lassen

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Ashes of Time Redux

14 Jahre nach der ersten Veröffentlichung seines meditativen Liebes-Kampfkunst-Melodrams „Ashes of Time“ hat Kar Wai Wong noch einmal Hand an das Werk gelegt. Das Ergebnis ist die konsequente Reduktion auf die visuelle Übersetzung emotionaler Zustände zwischen Einsamkeit, unerfüllter Liebe und Sehnsucht.
Der Erzähler des Films lebt irgendwann im alten China in der Wüste. Später wird klar, dass ihn eine unerfüllte Liebe in die Isolation getrieben hat. Von seiner Hütte aus betreibt er eine Art Agentur für Kampfaufträge diverser Natur. Durchreisenden Meistern des Schwertes vermittelt er die Möglichkeit, ihr Können auf lukrative Weise einzusetzen. Ein erblindender Kämpfer will sich damit die notwendige Barschaft verdienen, um noch einmal die Pfirsichblüte seiner Heimat zu sehen. Daneben erhält der Erzähler auch Besuch von einem Freund, der einmal im Jahr in der Wüste einen Zwischenstop einlegt, um mit dem zurückgezogen lebenden Kampfauftragvermittler die Zeit zu verbringen. Ein seltsames Geschwisterpaar buhlt um die Dienste des Erzählers, weil die weibliche Hälfte gerne ihren Bruder töten lassen will und der wiederum den Liebhaber seiner Schwester unter der Erde sehen möchte. Ihnen und weiteren Figuren begegnet der Erzähler mit einer ans Zynische grenzenden Härte, die er sich durch die Einsamkeit sowie seine unerfüllten Emotionen erworben hat.

Das Geschwisterpaar, das sowohl in seiner weiblichen wie der männlichen Präsenz durch Brigitte Lin verkörpert wird, trägt die wenig subtilen Namen Yin und Yang. Gerade diese Deutlichkeit weist über die Episode hinaus, in der die beiden Figuren auftauchen, die letztlich nur zwei Seiten eines Menschen sind. Die Balance sowie der Widerstreit der gegensätzlichen Ashes of Time Redux Kräfte bildet den entscheidenden Schlüssel für den gesamten Film. Denn Kar Wai Wong hat nichts anderes gemacht, als das Herz chinesischer Philosophie, auf der auch die Kampfkunst in ihrem Kern beruht, in Bilderwelten zu übersetzen. Dabei wird deutlich, dass die gerne vereinfacht dargestellte Interpretation der beiden Prinzipien Yin und Yang als reine Gegensätze nicht zutreffend ist. Denn schon im Geschwisterpaar verschmelzen beide Eigenschaften zu einem sich bedingenden Ganzen. So gegensätzlich Bruder und Schwester auch sind, sie gehören zusammen und bilden eine aufeinander wirkende Einheit. Dieses Prinzip durchzieht das ganze Werk, in dem die wenig ausgeglichenen Figuren stets einen Widerpart haben, der sie letztlich ergänzt, auch wenn sie nicht zueinander kommen. In der Summe entsteht daraus eine Harmonie des Lebens, die sich bei Kar Wai Wong nicht im klaren Miteinander sich glücklich liebender Menschen offenbart, sondern im Nebeneinander der Figuren. Statt erfüllter Sehnsucht regiert bei ihm die unerfüllte Sehnsucht, wobei das Handeln der Menschen, die zueinander wollen, aber nicht kommen, aufeinander einwirkt und so die Harmonie des Seins dokumentiert.

Die ordnende Kraft der Jahreszeiten, deren Abfolge im Monolog des Erzählers immer wieder in den Blick gerückt wird, sorgt für eine meditative Ruhe, die auch das reduzierte Spiel der Darsteller ausstrahlt. Leslie Cheung als Erzähler zeigt seine Gefühle nicht, die in ihm wühlen. Auf nahezu nüchterne Weise berichtet er über die Ereignisse, zu denen auch gehört, dass seine große Liebe einen Anderen geheiratet hat, weil er es nicht fertig brachte „Ich liebe Dich“ zur ihr zu sagen. Die Emotionen der Figuren brechen in den grandiosen Bildern aus, die Kameramann Christopher Doyle geschaffen hat und die durch die farbliche Nachbearbeitung für die Redux-Version noch intensiver wirken. Verfremdete Gelb-, Blau- oder Grüntöne erzählen in ausgewählten Tableaus von den in Worten nicht mehr fassbaren Gefühlen, die in der künstlich wirkenden Optik eine eigene Ausdrucksform gefunden haben. Ihr Eigenleben, das natürlich ohne den sprachlichen Bericht gar nicht denkbar ist, weil sich beides bedingt, entfacht eine gewaltige Wucht. Dem stehen reduzierte Ockertöne gegenüber, die mit ihrer Trostlosigkeit die Tragik der Figuren reflektieren. Der visuelle Ausdruck der Emotionen und die Nüchternheit der Worterzählung bildet auch formal das Yin-Yang-Prinzip ab, so dass Inhalt und Form des Films eine Koexistenz in perfekter Harmonie führen. Das sorgt für eine meditative Direktheit, da das Zentrum des Films beim Sehen ohne intellektuelle Reflexion erfahrbar ist.

„Ashes of Time Redux“ setzt sich unmittelbar im Hirn des Zuschauers fest, wenn die Bereitschaft vorhanden ist, das Miteinander der sinnlichen Eindrücke ohne Erwartungshaltung wirken zu lassen. Der perfekten Abstraktion einer Erzählung, die als direkte Übersetzung philosophischer Prinzipien funktioniert, ist Kar Wai Wong niemals wieder so nahe gekommen, wie bei seinem Meisterwerk „Ashes of Time Redux“. Seine kristallklare Reinheit ist der entscheidende Schlüssel zum Gesamtwerk des Regisseurs, das sich letztlich in immer neuen Variationen mit dem Schmerz einer gegensätzlichen Harmonie im Yin und Yang beschäftigt. Ganz nebenbei ist ihm fast ohne Kampfszenen der perfekte Kampfkunstfilm gelungen, weil er das Herz ihres meditativen Wesens in Bilder und Worte gegossen hat.

Bildqualität

Bei „Ashes of Time“ stößt die Bildbewertung einer Bluray nach vorgefertigtem Strickmuster an ihre Grenzen, da das Werk mit einem Stilwillen in Szene gesetzt wurde, der sowohl körniges Material als auch ein artifizielles Farbdesign beinhaltet. Dadurch entsteht eine Optik, die sich nicht um eine durchgehend gleichbleibende Schärfe oder einen Kontrast kümmert, bei dem die Bildelemente in einer üblichen Differenzierung abgebildet werden. Die Bluray aus dem Hause Splendid gibt den speziellen, visuellen Stil des Films sehr gut wieder, da die Szenen eine intensive Farbkraft ausstrahlen, bei denen das intendiert ist, und die Szenen reduziert wirken, bei denen die schlichen Ockertöne dominieren. Darüber hinaus ist die Schärfe gut, da die Konturendarstellung überzeugt. Störende Rauschmuster gibt es nicht. Die Körnigkeit einzelner Passagen beeinträchtigt das Seherlebnis nicht.

Tonqualität

Die DTS-HD-5.1-Tonspuren überzeugen nicht nur mit einer klaren Wiedergabe der Dialoge, sondern auch mit einer ausgewogenen, räumlichen Abmischung. Der dialog- und bilderdominierte Film besitzt natürliche keine krachende Tonspur wie ein Actionfilm, dafür wurden ausgewählte Umgebungsgeräusche sehr präzise auf die einzelnen Lautsprecher verteilt. Die neue Musik der Redux-Version sorgt immer wieder für einen druckvollen Raumklang, der zu gefallen weiß.

Extras

Ashes of Time Redux

Das Making Of zu „Ashes of Time Redux“ mit dem Titel „Born from the Ashes“ (etwa 14 Minuten) enthält Interviews mit Regisseur Kar Wai Wong, Kameramann Christopher Doyle und einigen Darstellern anlässliche der Aufführung beim Festival in Cannes. Darin wird auf kompakte Weise die Thematik des Films sowie seine Restaurierung und Neufassung beleuchtet. Die Interviewpassagen sind allesamt Ausschnitte aus den deutlich längeren, ebenfalls auf der Bluray enthaltenen Gesprächen.

Kar Wai Wong geht in seinem Interview (etwa 30 Minuten), das aus zwei verschiedenen Gesprächen zusammen geschnitten wurde, auf seine Beziehung zum Martial Arts Genre, die Dreharbeiten in der chinesischen Wüste, einige Motive des Films sowie den Einfluss auf sein späteres Werk und auf die Neufassung ein. Insgesamt ein interessantes Interview, das nur gelegentlich durch die etwas träge Form der Fragestellung an Qualität einbüßt.

Das etwa 16minütige Interview mit Tony Leung Chiu Wai leidet unter Fragestellungen zu Themen, zu denen der Darsteller keinen Bezug hat. Über den Unterschied zwischen ihm und Leslie Cheung, Rollen zu verkörpern, kann er nichts sagen. Als ehrliche Haut beantwortet Tony Leung Chiu Wai immer genau die Frage und erzählt nicht wie ein absoluter Medienprofi etwas anderes, was er gerade spannend findet. Das ist zwar sehr sympathisch, sorgt aber für ein bruchstückhaftes Interview, das nur dann einmal inhaltliche Qualitäten offenbart, wenn der Darsteller in mehr als einem Satz über die Arbeitsweise Kar Wai Wongs sowie die Herangehensweise an die jeweilige Figur spricht.

Kameramann Christopher Doyle philosophiert in den ihm zur Verfügung stehenden knapp 20 Minuten über den Einfluss der Landschaft sowie der klimatischen Gegebenheiten auf die Art, den Film visuell zu gestalten. Dabei schlägt er den Bogen zum Stil Kar Wai Wongs, Stimmungen und Figuren zu verschmelzen. Ein weiterer Aspekt ist die Zusammenarbeit innerhalb des Filmteams, die bei „Ashes of Time“ und anderen Produktionen, an denen Doyle beteiligt war, nicht auf eine klare Funktionstrennung aufgebaut gewesen ist, sondern fließende Übergänge beinhaltete. Doyle verknüpft diese Themen sehr gut miteinander, um ihren Einfluss auf die künstlerische Gestaltung des fertigen Films zu verdeutlichen.

Darstellerin Charlie Young plaudert gut zehn Minuten lang über die Zusammenarbeit mit Kar Wai Wong, seinen Regiestil, ihre Art schauspielerisch eine Figur zu erfassen, und die Umstände, die ihr die Rolle in „Ashes of Time“ eingebracht haben. Ein munteres und interessantes Gespräch.

Schauspielerin Carina Lau geht in ihrem Interview (etwa zehn Minuten) darauf ein, wie ihr die Rolle in „Ashes of Time“ angeboten wurde. Darüber hinaus reflektiert sie über Kar Wai Wongs Art, Darsteller zu führen, und stellt die Bedeutung der Körpersprache in seinen Filmen heraus.

Trailer zum Film sind auf der Bluray ebenfalls enthalten.

Fazit

„Ashes of Time Redux“ ist die direkte filmische Übersetzung des Schmerzes in emotionalen Beziehungen zweier Menschen, die nicht zueinander finden, sich in ihrer Existenz aber doch bedingen. Damit ist es Kar Wai Wong gelungen, die gegensätzliche Harmonie in Bilder und Worte zu gießen, auf der die chinesische Philosophie und Kampfkunst beruht. Ein perfektes, meditatives Werk, das gleichzeitig das Wesen der Kampfkunst in seiner reinsten Form widerspiegelt und als entscheidender Schlüssel zum Werk Kar Wai Wongs funktioniert. Technisch ist die Bluray sehr gut.

Stefan Dabrock

20.04.2010

   
Originaltitel Dung che sai duk (Hongkong 1994 / 2008)
Länge 93 Minuten (24p)
Studio Splendid
Regie Kar Wai Wong
Darsteller Brigitte Lin, Leslie Cheung, Maggie Cheung, Tony Leung Chiu Wai, Jacky Cheung, Tony Leung Ka Fai, Li Bai, Carina Lau, Charlie Yeung, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DTS-HD 5.1 Deutsch, Kantonesisch
Untertitel Deutsch
Extras „Born from the Ashes“ - Making Of Ashes of Time Redux, Interviews, Trailer
Preis ca. 19 EUR
Bewertung sehr gut, technisch sehr gut