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dvd

Familien-Bande

Im Angesicht des Verbrechens

Rezension von Christina Wittkop vorlesen lassen

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Im Angesicht des Verbrechens

Manchmal, wenn die unterschiedlichen Faktoren erfolgreich zusammenwirken, entstehen auch im deutschen Fernsehen Produktionen herausragender Qualität mit brillanter Dramatik. Dominik Grafs Milieu-Thriller-Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ ist so ein Fall.
Im Zentrum der verzweigten Erzählung stehen die beiden Polizisten Marek Gorsky und Sven Lottner. Der Draufgängertyp Lottner träumt vom Dienst beim LKA, weil ihm die kleinen Fische seines Dienstalltags inzwischen zu läppisch geworden sind. Gorsky ist eigentlich zufrieden damit. Durch einen Zufall sind sie in der Nähe, als das LKA versucht, ein hohes Mitglied der Russenmafia festzunehmen. Lottner und Gorsky schaffen, was den Kollegen misslingt. Sie legen dem Gesuchten die Handschellen an und dürfen fortan in der LKA-Einheit mitmischen. Für Gorsky, dessen Bruder vor Jahren erschossen wurde, ergibt sich daraus eine pikante Situation. Er hat nicht nur osteuropäische Wurzeln, seine Schwester ist mit einem der russischen Mafiabosse verheiratet. Natürlich ahnt sie, was ihr Mann treibt, genaueres weiß sie aber nicht. Das gilt auch für Gorsky. Die Ermittlungen führen ihn und Lottner direkt ins Milieu mit seinen kriminellen Verästelungen aus Zwangsprostitution, Zigarettenschmuggel und sonstigen lukrativen Aktivitäten. Im Fadenkreuz steht neben den russischen Bossen auch ein deutscher Unternehmer, der in die Machenschaften verstrickt zu sein scheint. Während der gefährlichen Arbeit lernt Gorsky auch eine junge Ukrainerin kennen, die mit ihrer Freundin unter dem Vorwand schnellen Wohlstandes nach Berlin gelockt wurde, um sie zur Prostitution zu zwingen. Familiäre Bande, Liebe, Kriminalität und Polizeiarbeit fügen sich zu einem komplexen Gemisch zusammen, das nur schwer beherrschbar ist.

Dominik Graf lässt bei seiner Inszenierung nichts anbrennen und schmeißt den Zuschauer sofort in eine Polizeiaktion hinein, die für das Hauptgeschehen der Serie ohne Belang zu sein scheint, aber letztlich viel mehr ist als nur eine Sequenz, um ein paar Figuren einzuführen. Sie stellt mit ihrer Schnittfolge bereits die flirrende Atmosphäre vor, welche die dramatische Thrillerszenerie der Serie beherrscht, und hat eine Bedeutung für die folgenden Ereignisse, welche man an dieser Stelle kaum ahnen kann. Das ist eine der ganz großen Qualitäten des Mehrteilers. Es gibt kaum einmal ein Detail, das nicht noch zusätzlich relevant wird. Daraus ergibt sich sich eine erzählerische Dichte, die für eine atemlose Anspannung sorgt. Auch die ruhigen Momente, wenn Gorsky mit seiner Schwester redet, verfügen deswegen über eine Im Angesicht des Verbrechens Intensität, die nicht zulässt, dass der klammernde Griff der mitreißenden Dramaturgie einmal lockerer wird. Alles in „Im Angesicht des Verbrechens“ ist Emotion mit Spannung, Zwiespalt, Konflikt, Zuneigung oder Liebe, manchmal sogar zusammen in einer einzigen Szene. Die Ambivalenz widerstreitender Aspekte führt zu einer Komplexität, deren Verästelungen eine große Faszination ausstrahlen. Die Kriminalität der Russenmafia wird mit Milieudetails und privaten Geschehnissen verknüpft. Familiärer Zusammenhalt und Ehrenkodex sowie dessen Brechung spielen darin ebenso eine Rolle wie Graf das fragile Verhältnis zwischen denjenigen auslotet, die aktiv am Verbrechen teilnehmen, und denjenigen, die sich im Umfeld der Mafiosi aufhalten. Zu letzteren gehören Ehefrauen wie Gorskys Schwester, Geliebte und die Kinder. Unschuld, Unwissenheit und aktive Ignoranz beherrschen das brüchige Gleichgewicht, das immer wieder in Gefahr ist.

Durch die Verschränkung von Mafia und Polizei innerhalb einer Familie bringt Graf das Dilemma auf den Punkt. Die Kontrolle der Aktivitäten muss eine Illusion bleiben. Das gilt sowohl für die Kriminellen wie für die Ordnungshüter. Das System der Kriminalität endet mitnichten bei denen, welche mit gezückten Waffen durch die Gegend rennen. Es handelt sich um ein Miteinander der einzelnen Menschen, deren persönliche Bedürfnisse direkten Einfluss auf das System nehmen. Der Wunsch nach Macht spielt dabei ebenso eine Rolle, wie der Wunsch nach einem ruhigen Leben in Wohlstand sowie der Wunsch nach Liebe. Moralische Maßstäbe sind danach immer eine Frage der jeweiligen persönlichen Zufriedenheit. Ein Ehrenkodex ist nur so lange gut, so lange er einem nützt, die ehrenhafte Ausübung der LKA-Arbeit ist nur so lange der Lebensinhalt, so lange sie den privaten Wünschen nützt. „Im Angesicht des Verbrechens“ schildert den Sumpf der organisierten Kriminalität als organische Einheit, die sich ständig verändert und deren Eigenleben eine beängstigende Dynamik entfacht. Erfolge gegen das System können deswegen immer nur kurzfristige Atempausen sein, bevor es mit flirrender Energie weitergehen muss.

Bildqualität

Die Schärfe des sauberen Bildes ist ordentlich bis gut, da die Konturen zumeist klar wiedergegeben werden und der Detailreichtum ansprechend ist. Gelegentlich treten aber Doppelkonturen in Erscheinung. Die Farben überzeugen mit natürlichen Tönen. Leichte Blockbildung macht sich ebenso wie ein schwankender Rauschpegel bemerkbar. Der Kontrast leistet gute Arbeit, da er für ein differenziertes Bild sorgt. Insgesamt ein ordentliches, aber nicht vollends überzeugendes Bild.

Tonqualität

Die 2.0-Tonspuren verfügen über eine gute Dynamik, welche die Möglichkeiten der Lautsprecher ausnutzt. Dadurch unterstützt der Ton die intensive Atmosphäre der Erzählung. Die Dialoge sind bis auf ganz wenige Ausnahmen sehr gut verständlich.

Extras

Im Angesicht des Verbrechens

Das 30minütige Making Of hebt sich von üblichen Marketingformaten allein schon dadurch ab, dass die schwierige Produktionsgeschichte mit Ab- und Wiedereinsetzung des Regisseurs Dominik Graf sowie der zwischenzeitlichen Insolvenz der Produktion während der Arbeit im Schneideraum kurz angerissen wird. Hier hätte man sich aber noch mehr Hintergründe gewünscht, weil die knappen Informationshäppchen die Natur der Schwierigkeiten jenseits von Stichworten wie Budgetfragen letztlich nicht erfassen und deswegen auch kein wirkliches Verständnis für die Bedingungen fördern. Daneben gehen die verantwortlichen Fernsehredakteure in den Interviews kurz darauf ein, wie das Projekt zu Stande kam, die Darsteller äußern sich über ihre Rollen sowie die Arbeit mit Dominik Graf. Der wiederum gibt einen kleinen Einblick in sein zweifelndes Innenleben, das seine Arbeit als Regisseur begleitet. Insgesamt ein ordentliches Making Of, das aber auch Fragen aufwirft.

Fazit

„Im Angesicht des Verbrechens“ überzeugt durch seine ungemein dichte Dramaturgie sowie die komplexe Erzählung, welche die Kriminalität mit ihren unterschiedlichen Facetten zu einem Netz verknüpft, dessen Wechselwirkungen auf die beängstigende Unkontrollierbarkeit des zugrunde liegenden Systems verweist. Technisch ist die DVD ordentlich.

Stefan Dabrock

24.01.2011

   
Originaltitel Im Angesicht des Verbrechens (BRD 2010)
Länge 10 Folgen à 48 Minuten (Pal)
Studio MFA+
Regie Dominik Graf
Darsteller Max Riemelt, Ronald Zehrfeld, Marie Bäumer, Alina Levshin, Misel Maticevic, Mark Ivanir, Arved Birnbaum, Georgii Povolotskyi, Uwe Preuss, Yevgeni Sitokhin, Marco Mandic, Katja Nesytowa, Ulrike C. Tscharre, Karolina Lodyga, Ryszard Ronczewski, Bernd Stegemann, u.a.
Format 1:1,78 (16:9)
Ton DD 2.0 Deutsch, Französisch
Untertitel Deutsch, Englisch, Spanisch, Russisch, Portugiesisch
Extras Making Of
Preis ca. 33 EUR
Bewertung sehr gut, technisch ordentlich