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rezensionen

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03.03. Die weiße Mafia
16.02. Das Mädchen mit den schwarzen Strümpfen
11.02. Im Dutzend zur Hölle
28.01. Die Engel von St. Pauli
21.01. Die Todeskralle des grausamen Wolfes
06.01. Die Mörderklinik
12.12. Paul Temple: Jagd auf Z
27.11. Die drei Supermänner räumen auf
30.10. Die Heuchler
10.10. X 312 … Flug zur Hölle...
03.10. Das Todeslied des Shaolin
15.09. Der Koloss von Konga
26.08. Das Omen des Bösen
11.08. Menschen im Hotel
06.08. Mädchen: Mit Gewalt

kurzrezension

09.11. Return of the Warrior
30.05. Iron Sky - Director's Cut (blu-ray)
21.05. Captain Invincible oder „Wer fürchtet sich vor Amerika?“
22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

blu-ray

Am Rande des Wahnsinns

Mother

Mother

Nach dem spektakulären, über seine Genregrenzen hinausdeutenden Monsterfilm „The Host“ erscheint nun der nächste Langfilm des südkoreanischen Regisseurs Joon-ho Bong nach einer Kinoauswertung auch im Heimkinosegment.
Der schlichte Titel „Mother“ täuscht dabei zur absichtlichen Irritation eine Klarheit vor, die der Film selbst konsequent verweigert. Die titelgebende Mutter sorgt sich sehr um ihren geistig herausgeforderten Sohn Do-joon. Als er des Mordes an einem Schulmädchen beschuldigt wird, setzt sie alle Hebel in Bewegung, um ihren Sohn aus dem Gefängnis zu holen. Nachdem ein Anwalt nicht bereit ist, das gewünschte Ergebnis zu erzielen, weil er eine wachsweiche Kompromisslösung für sinnvoller hält, als den Kampf aufzunehmen, zieht die Mutter andere Seiten auf. Sie fängt an, selbst zu ermitteln, und macht dabei auch nicht vor rabiaten Methoden halt.

Anfangs kommt einem die Mutter ein bisschen überfürsorglich vor, wenn sie ihren Sohn auf der anderen Straßenseite mit Argusaugen beobachten, während sie in ihrem kleinen Geschäft Kräuter schneidet. Im weiteren Verlauf des Films nimmt das aber zunehmend größere Dimensionen an. Das Mutter-Sohn-Verhältnis wirkt pathologisch, vor allem wenn man den intimen Umgang miteinander in Betracht zieht: beide schlafen in einem Bett. Dabei belässt es Regisseur Joon-ho Bong aber bei Andeutungen über das Verhalten, da er kein Interesse an einer spekulativen Erzählung hat. Er wirft die Interpretation des Geschehens, die Interpretation der Bilder immer wieder auf den Zuschauer zurück, indem er einen Reigen der Uneindeutigkeit in Szene setzt. So grenzwertig einem die Mutter in ihrem Verhalten auch vorkommt, ihre Mother beschützende Art bleibt als mütterliche Liebe nachvollziehbar. Und letztlich gibt es auch keinen anderen Anknüpfungspunkt, um der Erzählung zu folgen. Denn bei ihren Versuchen, den Sohn aus dem Gefängnis zu bekommen, fördert sie immer neue Aspekte zu Tage, die ein befremdliches Bild des Zusammenlebens nachzeichnen. Der Anwalt entpuppt sich als arrogante, auf untere Gesellschaftsschichten herabblickende Persönlichkeit, die der Mutter in besoffenem Zustand in einer Karaoke-Bar als Erfolg verkaufen möchte, dass ihr Sohn vermutlich höchsten vier Jahre absitzen müsse. Die Polizisten erkennen in einem am Tatort gefunden, von Do-joon beschrifteten Golfball einen klaren Beweis für die Schuld Do-joons, obwohl das Indiz an Lächerlichkeit kaum zu überbieten ist. Aber ein Mord fordert auch einen Mörder und deswegen packen die Polizisten ihre alten, unredlichen Methoden aus, um ein Geständnis mit Gewaltandrohung zu erzwingen.

Der Schatten der Vergangenheit, als Repressalien unter diktatorischer politischer Führung in Südkorea zum Tagesgeschäft gehörten, wirkt in den Provinzpolizisten weiter fort. Joon-ho Bongs Filme zeichnet ein tiefes Misstrauen gegenüber Autoritäten aus. Bereits in „Memories of Murder“ (Südkorea 2003) griffen die Polizisten zu fragwürdigen Methoden und legten einen unangemessenen Willen an den Tag, einen Schuldigen zu finden, auch wenn es sich gar nicht um den Täter handelt. Das tote Schulmädchen, das Do-joon ins Jenseits befördert haben soll, hat sich für Reiskuchen sexuell verkauft und ihre Partner mit einer Handykamera dokumentiert. Der Schein trügt in „Mother“. Unschuld verwandelt sich erst in Durchtriebenheit, um dann wieder Fragen aufzuwerfen, warum sich das Mädchen für Essen verkauft hat. Die einzige Klarheit, welche der Film präsentiert, ist die Tatsache, dass hinter den einfachen Verhältnissen immer noch etwas anderes lauert, dessen düstere Seite sich aber nicht mit Bestimmtheit definieren lässt, weil die Bilder des Films verschiedene Varianten der Ereignisse offen lassen. So ist der Ablauf des Mordszenarios gleich dreimal zu sehen. Einmal folgt die Kamera zu Beginn den Figuren, als sich das Geschehen tatsächlich ereignet, wobei Do-joon einfach weggeht, ohne sich dem Mädchen weiter zu nähern. Das suggeriert zumindest der Schnitt der Szene. In der Mitte des Films muss der bereits inhaftierte Do-joon den Tathergang in einer grotesken, öffentlichen Vorführung am Tatort nachspielen und gegen Ende erzählt ein Zeuge noch eine dritte Variante des Geschehens, das parallel in filmische Bilder übersetzt wird. Eine klare Lösung präsentiert Joon-ho Bong nicht, wenn auch die Indizien immer stärker in eine bestimmte Richtung weisen. Stattdessen setzt der Film auf das Grauen, das in der Unsicherheit lauert.

Immer wieder fängt die Kamera Szenen bizarrer, unklarer Natur ein. Gleich zu Beginn läuft die Mutter durch ein Feld, bleibt schließlich stehen und tanzt, während der Wind durch das Korn streicht. Ihre ruhigen Bewegungen haben jedoch nichts ausgelassenes, sondern etwas entgeistertes an sich. Später setzt Joon-ho Bong das zwar in einen Kontext zur Filmhandlung, aber ohne eindeutige Klarheit zu schaffen. Die Mutter mit ihrem immer energischer zu Tage tretenden, übergroßen Beschützerwillen, ihr grenzwertiges, intimes Verhältnis zu ihrem Sohn, die Dorfgemeinschaft mit ihrem Manipulations- und Machtverhalten entwirft das Gesellschaftsbild eines auseinanderbrechenden Miteinanders, das menschliche Solidarität nur noch in pathologischen Beziehungen hervorbringt. In einer solchen Welt hat Misstrauen gegenüber Erzählungen oder Bildern seinen festen Platz. Die visuelle Offenheit reflektiert das, während gleichzeitig ein Psychogram der Mutter entworfen wird.

Bildqualität

Ohne Verschmutzungen oder Defekte präsentiert sich der Film auf der Bluray. Dazu gesellt sich eine zwar nicht sehr gute, aber gute Schärfe, die vereinzelt mit leicht unklare Konturen zu kämpfen hat. Das ist aber nur bei einigen Totalen im Außenbereich feststellbar, sonst überzeugen die Kanten sowie der Detailreichtum. Die reduzierte, etwas trostlos gehaltene Farbpalette wurde sehr gut auf die Bluray übertragen, der Kontrast sorgt für ein differenziertes Bild. Störendes Rauschen gibt es nicht.

Tonqualität

Die DTS-HD-Master-5.1-Tonspuren verfügen über eine klare Sprachwiedergabe, welche nicht durch andere Geräusche beeinträchtigt wird. Die räumlichen Qualitäten der Abmischung sind gering, da sich das akustische Geschehen genrebedingt zumeist in den vorderen Lautsprechern abspielt. Die Musik sorgt immer wieder für etwas Raumklang.

Extras

Mother

Das etwa 18minütige „Behind the scenes“-Material zeigt unkommentierte B-Roll-Aufnahmen vom Set, für die auch keine deutschen Untertitel angefertigt wurden, so dass man nicht weiss, was Regisseur und Darsteller am Set miteinander reden. Wer Koreanisch kann, hat natürlich keine Schwierigkeiten den Anweisungen zu folgen. Wenig brauchbares Bonusmaterial.
Das knapp 10minütige Making Of behandelt in knackiger Form die Entstehung der Idee, den Film „Mother“ zu entwickeln und geht auch in wenigen, aber auf den Punkt gebrachten Sätzen auf einzelne Aspekte des Produktionsprozesses wie beispielsweise die Komposition der Filmmusik ein. Trotz seiner kurzen Lauflänge ein Making Of, das so manchen Beitrag bei anderen DVDs oder Blurays übertrifft.

Herzstück des Bonusmaterial aber ist das gut 40minütige Podiumsgespräch mit Regisseur Joon-ho Bong auf dem Filmfest München anlässlich der Aufführung von „Mother“. Darin werden unter anderem wiederkehrende Themen in den Filmen des Regisseurs besprochen und in Bezug zu „Mother“ gesetzt. Stil sowie Bildsprache und Fragestellungen zur koreanischen Gesellschaft kommen ebenfalls zur Sprache. Joon-ho Bong geht mit lockerem Tonfall auf die einzelnen Aspekte ein und erweist sich als interessanter Gesprächspartner, der deutlich mehr als Worthülsen zu bieten hat. Ein sehr guter Beitrag.

Der Trailer zum Film ist auf der Bluray ebenfalls enthalten.

Fazit

„Mother“ verknüpft das Psychogram einer ihren Sohn liebenden Mutter mit einem Gesellschaftsbild aus Macht- und Manipulationsverhalten, indem Vertrauen auf die Redlichkeit des jeweiligen Gegenübers keine Heimat mehr hat. Daraus resultiert eine erschreckende Unsicherheit, deren Grauen Joon-ho Bong in Bilder bedrückender Unklarheit übersetzt hat. Technisch ist die Bluray gut.

Stefan Dabrock

27.01.2011

   
Originaltitel Madeo (Südkorea 2009)
Länge 129 Minuten (24p)
Studio MFA+
Regie Joon-ho Bong
Darsteller Hye-ja Kim, Bon Won, Ku Jin, Je-mun Yun, Mi-sun Jun, Sae-Byeok Song, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DTS-HD-Master 5.1 Deutsch, Koreanisch
Untertitel Deutsch
Extras Interview mit Joon-ho Bong, Making Of, Trailer, u.m.
Preis ca. 17 EUR
Bewertung sehr gut, technisch gut