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rezensionen

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03.03. Die weiße Mafia
16.02. Das Mädchen mit den schwarzen Strümpfen
11.02. Im Dutzend zur Hölle
28.01. Die Engel von St. Pauli
21.01. Die Todeskralle des grausamen Wolfes
06.01. Die Mörderklinik
12.12. Paul Temple: Jagd auf Z
27.11. Die drei Supermänner räumen auf
30.10. Die Heuchler
10.10. X 312 … Flug zur Hölle...
03.10. Das Todeslied des Shaolin
15.09. Der Koloss von Konga
26.08. Das Omen des Bösen
11.08. Menschen im Hotel
06.08. Mädchen: Mit Gewalt

kurzrezension

09.11. Return of the Warrior
30.05. Iron Sky - Director's Cut (blu-ray)
21.05. Captain Invincible oder „Wer fürchtet sich vor Amerika?“
22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

blu-ray

Brot und Kriege

A Dirty Carnival

A Dirty Carnival

Byung-doo Kim (In-seong Jo) sagt irgendwann in Ha Yus Gangsterfilm „A Dirty Carnival“ zu seinen Helfern, dass sie wie eine Familie seien. „Ein Mund“ ist eines seiner Schlagworte, denen im Genre des Gangsterfilms immer misstraut werden muss, wenn sie so offensiv propagiert werden.
Als relativ unbedeutendes Mitglied in seiner Organisation schlägt sich Byung-doo Kim durchs Leben. Er treibt mit seinen Leuten Geld bei Schuldnern ein, die sich mit den Gangstern einlassen mussten. Die Provision im Erfolgsfall reicht kaum aus, um sich selbst und seinen Leuten ein Auskommen zu sichern. Aber Kims direkter Ansprechpartner aus der höheren Hierarchiestufe, Sang-chul (Je-mun Yun), verweigert ihm einen größeren Anteil. Als der noch bedeutendere Gangsterboss Hwang (Ho-jin Cheon) die Bemerkung fallen lässt, dass ein unliebsamer Anwalt getötet werden müsste, packt Kim die Gelegenheit beim Schopf. Er bringt den Mann um und verschafft sich so großen Respekt bei Hwang. Gleichzeitig legt er sich mit Sang-chul an, der ihn aus dem Weg schaffen möchte. Während sich die Konflikte in der Gangsterorganisation zuspitzen, sucht Kim die Nähe zur alten Schulfreundin Hyun-yu (Bo-young Lee), um seine Sehnsucht nach einem ruhigen Leben zu befriedigen.

Man ahnt sehr schnell, dass Verrat zum guten Ton innerhalb der Gangsterorganisation gehört, in der Byong-doo Kim etwas erreichen möchte. Hier folgt Regisseur Ha Yu dem klassischen Genremotiv, das in der Diskrepanz aus Schein und Sein dramatische Zuspitzungen gewinnt. Die edel ausgeleuchteten Kamerabilder sorgen für eine Atmosphäre der Schönheit, deren stimmungsvolle Nachtaufnahmen einen ästhetischen Gegenpunkt zum gewalttätigen Treiben A Dirty Carnival der Figuren setzen. Denn die mit Knüppeln und Messern geführten Auseinandersetzungen innerhalb der Gangsterorganisation verweigern sich einer schick stilisierten Choreographie. Sie strahlen eine ruppige Härte aus, die zum Wesen der handelnden Menschen passt. Vehement wird um jeden Anteil vom Kuchen gekämpft, es geht letztlich ums Überleben. Die existenzielle Note spiegelt sich in der brachialen Wucht nieder, mit der solche Szenerien gefilmt wurden. Dabei verzichtet Ha Yu zwar auf Blutorgien, aber die trockene, kompromisslose Art, mit der zugestochen oder geschlagen wird, verfehlt ihre Wirkung nicht.

Während sich die dynamische Art der Inszenierung sowie die ausgezeichnete Kameraarbeit bereits von gängigen Durchschnittswerken abhebt, fügt sich das Motiv der Auseinandersetzungen um Einfluss innerhalb einer Gangsterorganisation bruchlos in den Genrekanon ein. Aber die existenzielle Note kündet schon von einem anderen Thema, das „A Dirty Carnival“ inhaltlich reichhaltiger macht. Gangster müssen, wie die meisten Menschen auch, Geld verdienen, um überleben zu können. Sie seien auch nur normale Menschen, heißt es an einer Stelle. Ha Yu verknüpft die Gewalt mit den gewöhnlichen Problemen Byung-doo Kims. Auf diese Weise reflektiert er über die partielle Wahrheit dieses Satzes. Kims Familie ist von Armut und Krankheit betroffen. Seiner Mutter droht der Auszug aus der Wohnung, Kim selbst kann auch nicht aus dem Vollen schöpfen. Die banale Gewöhnlichkeit seiner Alltagsschwierigkeiten verleiht ihm eine menschliche Seite. Kim steht morgens auf und arbeitet, allerdings als Gangster. Der Gefahr einer Verharmlosung der kriminellen Existenz durch Gleichsetzung mit einem biederen Beruf entgeht Ha Yu durch die Wucht der Kämpfe. Der Gefahr einer Idealisierung entgeht er einerseits durch die Hässlichkeit der Gewalt, andererseits durch den ernüchternden Charakter des sonstigen Lebens unter dem Dach der Organisation. Karaokefeierlichkeiten strahlen keinen glorreichen Partyspaß aus, sondern wirken wie ungeliebte Betriebsfeste mit Anwesenheitspflicht. Nichts in Byung-doo Kims Leben lohnt der Nachahmung.

Auch er selbst weiß, dass er sich in einer Tretmühle aus Verrat und Überlebenskampf befindet, deren dramatisch-düstere Kraft zwar für einen intensiven Kinofilm taugt, die aber keine Erfüllung bietet. Deswegen bemüht sich Kim um eine ehemalige Schulfreundin. Er möchte ihre Liebe gewinnen, um einen Hauch von Hoffnung spüren zu können. Aber die Welt des kriminellen Milieus lässt sich nur schwer mit einer harmonisch-friedlichen Beziehung vereinbaren. Das vorprogrammierte Scheitern gehört zur tragischen Seite eines Gangsterfilms, der jenseits der Routine von menschlichen Gefühlen sowie dem Kampf ums Überleben erzählen will.
Die Nebengeschichte über den Regisseur Min Ho (Nam-koong Min), der nicht nur ein alter Schulfreund vom Kim ist, sondern in dessen Dunstkreis für seinen geplanten Gangsterfilm recherchieren möchte, kommentiert den oftmals vorhandenen Blick der Filmindustrie auf das kriminelle Milieu. Min Ho erliegt der Faszination, weil er selbst nicht Teil des Überlebenskampfes ist. Sein Umgang mit dem vorgefundenen biographischen Material seines alten Freundes gehört zum Bittersten, was „A Dirty Carnival“ in seiner an Niedertracht reichhaltigen Handlung bereit hält. Der Triumph der Fiktion beendet jede Hoffnung.

Bildqualität

A Dirty Carnival

Das Bild der Bluray kann sich sehen lassen. Die beeindruckende Schärfe leistet sich keine nennenswerte Schwäche, so dass die schick ausgeleuchteten Nachtaufnahmen ebenso gut zur Geltung kommen, wie die ernüchternden Kämpfe. Die harmonisch-kräftigen Farben tun ihr übriges dazu. Der ausgewogene Kontrast lässt auch in dunklen Szenen alle Details zur Geltung kommen. Das leichte Bildrauschen stört nicht, zumal keine Unruhe festzustellen ist.

Tonqualität

Die DTS-HD-Master-5.1-Tonspuren sorgen im Rahmen ihrer Möglichkeiten für ein gutes räumliches Klangerlebnis. Bei den Kämpfen oder anderen dramatischen Ereignissen kommen die Toneffekte gut zur Geltung. Die Dynamik und die Nutzung aller Lautsprecher unterstützt das akustische Geschehen. Die Dialoge wurden sauber abgemischt, so dass es keine Überlappungen gibt. Insgesamt gute Tonspuren.

Extras

Das gut 80-minütige Making Of geht mit der üblichen Mischung aus Interviews diverser Stabmitglieder, B-Roll-Material und Filmausschnitten auf thematische Motive des Films ein und beleuchtet die Dreharbeiten sowie die technische Umsetzung. Aufgrund der Länge des Materials entgeht das Making Of der Gefahr, sich in Inhaltsangaben zu verlieren. Ein sehenswerter Beitrag.
„Fights“ zeigt in gut 30 Minuten zu ausgewählten Kampfszenen des Films Aufnahmen der Dreharbeiten und lässt die Beteiligten zu Wort kommen. Hier stößt der Informationsreichtum an seine Grenzen, weil sich nicht immer erschließt, was verbal angeboten wird. So bleibt offen warum die nach Aussagen der Filmemacher erste Actionszene innerhalb der koreanischen Filmgeschichte, die in einem Buchladen spielt, allein deswegen so besonders sein soll.
Die knapp 40-minütige Rolle mit Deleted Scenes überzeugt mit alternativen Takes bestehender Szenen, verlängerten Versionen im Film enthaltener Handlungsteile und neuem Material.
Ein Musik-Clip, Bilder eines Foto-Shootings mit Darstellern des Films, Aufnahmen von der Gala-Premiere und der Trailer sind auf der Bluray ebenfalls enthalten. Das Bonusmaterial wurde deutsch untertitelt.

Fazit

„A Dirty Carnival“ verbindet die desillusionierende Zeichnung des Gangstermilieus mit der menschlichen Seite seines Protagonisten, der von banalen Alltagsschwierigkeiten geplagt um sein Überleben kämpft und sich nach Liebe sehnt. Die perfekte Liaison der Motive verleiht dem Film eine ebenso rohe, wie anrührende und tragische Kraft, die ihn deutlich vom Durchschnitt des Genres abhebt. Technisch ist die Bluray gut bis sehr gut.

Stefan Dabrock

18.04.2012

   
Originaltitel Biyeolhan geori (Südkorea 2006)
Länge 140 Minuten (24p)
Studio Splendid
Regie Ha Yoo
Darsteller In-seong Jo, Je-mun Yun, Ho-jin Cheon, Nam-koong Min, Bo-young Lee, In-jae Heo, Ku Jin, Byeong-chun Kim, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DTS-HD-Master 5.1 Deutsch, Koreanisch
Untertitel Deutsch, Niederländisch
Extras Making Of, Deleted Scenes,Trailer, u.m.
Preis ca. 10 EUR
Bewertung sehr gut, technisch gut bis sehr gut