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rezensionen

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kurzrezension

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Bildsprache

Amer – Die dunkle Seite der Träume

Amer – Die dunkle Seite der Träume

Die belgisch-französische Produktion „Amer“ lässt sich als experimenteller Arthaus-Giallo bezeichnen, da die beiden Regisseure das formale Arsenal des italienischen Genre-Kinos der 1970er Jahre von der Musik über die Bilder zitieren und sich mit den symbolischen Themen des Giallos auseinandersetzen. Auf der anderen Seite fehlt „Amer“ aber das, was einen Giallo neben seinen visuellen Schauwerten ausmacht, die durchgängige Konzentration auf das Spannungsgeflecht. Deswegen kommt es der Sache näher, wenn man „Amer“ als intellektuelle Auseinandersetzung mit Giallo-Aspekten betrachtet, die in einen teilweise surrealen Bilderrausch gegossen wurden.
Die Handlung, in der Worte nur eine untergeordnete Rollen spielen, zeigt Ana in drei Phasen ihrer menschlichen Entwicklung. Im Kindesalter (Cassandra Forêt) durchstreift sie das Elternhaus und erlebt eine Mischung aus Angstphantasien und neugierigen Entdeckungen, zu denen auch der zwanglose Umgang mit einem Toten gehört. Die Eltern erscheinen aus ihrer Perspektive unnahbar. Im zweiten Segment wird Ana (Charlotte Eugène Guibeaud) im Teenageralter bei einem Gang mit ihrer Mutter in das nahegelegene Dorf gezeigt. Ihre erwachende Sexualität nutzt Ana für ein provozierendes Spiel mit ihrer Attraktivität. Als Erwachsene kehrt Ana (Marie Bos) im dritten Segment in das inzwischen leerstehende Elternhaus zurück und erlebt einen Albtraum der Bedrohung.

Die beiden mit Angstphantasien und Bedrohungsszenarien arbeitenden Segmente zu Beginn und am Schluss des Films rahmen die Adoleszenzphase Anas ein, in der es nur ein Spiel mit Details, Symbolen und Fetischelementen gibt, das keine Spannung erzeugen soll. Die Herausforderung Anas an ihre männliche Umgebung sowie an ihre Mutter, der Ana vor Augen führt, das sie mit ihrer Tochter nicht mehr mithalten kann, ist auch eine Herausforderung an den Zuschauer. Denn der Film verlässt an dieser Stelle das bis dahin beklemmende Szenario des ersten Segments und gönnt sich auf der Spannungsebene eine Ruhepause zugunsten einer Collage aus Blicken, Gesten oder Symbolen. So zeigt der Film Ana immer wieder mit einem schmollenden Gesicht, rückt ihr neckisches Lutschen an einer Haarsträne in den Mittelpunkt, die sie auf dezent laszive Weise wieder zurückstreicht, ästhetisiert Leder als erotisches Symbol Amer – Die dunkle Seite der Träume und zeigt immer wieder Detailausschnitte der weiblichen Körper. Das Segment schildert die sexuelle Kraft des weiblichen Körpers, der wiederum in einen Zusammenhang mit Angst und Bedrohung gestellt wird, wenn man die nachfolgende Erzählung aus Anas Erwachsenenalter berücksichtigt. Auf der Ebene des Spannungsbogens kommt der Film hier zur Ruhe, so dass man sich schon für die assoziative Collage ohne oberflächliche dramaturgische Funktion begeistern muss, um dem Segment etwas abgewinnen zu können.
Aus gestalterischen Gründen ist die zwischenzeitliche Konzentration auf den sexuellen Aspekt aber notwendig, weil sie die Verbindung zum abschließenden Albtraumszenario herstellt. Das was nach der Rückkehr in das verlassene Elternhaus an Bedrohung und Angst gezeigt wird, gründet sich auf psychologische Fragestellungen, die eng mit Sexualität verknüpft sind. Ana wird mit der Kraft der Triebe konfrontiert, die sich in einen langsam steigernden Albtraum ergießen. Sex und Gewalt stehen hier in einem Zusammenhang, den sowohl die Montage der Segmente als auch die ästhtetisierten Bilder herstellen. „Amer“ reflektiert nicht nur über die entsprechende Konnotation der Morde in vielen Giallos, er versucht sich auch an einer Analyse, was dahinter steckt. Die surrealen, ans Unterbewusste appellierenden Bilder und die stringente Entwicklung Anas vom Kind zur Frau verweist auf die im Menschen steckende Kraft, die sich in Zerstörung entfalten kann, wobei der Fokus aus thematischen Gründen auf dem Weiblichen liegt. In Verbindung mit der exquisiten Musikauswahl aus 1970er-Genrewerken entsteht ein Sog der Bilder, der im Finale kulminiert.

Bildqualität

Amer – Die dunkle Seite der Träume

Das visuelle Konzept des Films wurde sehr gut auf die Bluray übertragen. Immer wieder arbeiten die Regisseuere mit Farbfiltern und anderen Verfremdungstechniken, so dass die Schärfe zwischen sehr gut und angenehm schwankt. Eine technische Unzulänglichkeit der Bluray liegt jedoch an keiner Stelle vor. Die Farben, die im ersten Segment zwischen bräunlich-trist und farblich-grell wechseln, und in den weiteren Segmenten mal natürlich und mal expressiv gestaltet wurden, kommen ausgezeichnet zur Geltung. Auch der Kontrast leistet sich keine Schwächen. Die Bluray gibt die visuelle Reminiszenz an das Genre-Kino der 1970er Jahre sehr gut wieder.

Tonqualität

Die DTS-HD-Master-5.1-Tonspuren begeistern mit einer präsenten, räumlichen Abmischung der Musik und dem gelegentlichen Einsatz von Toneffekten, die die hinteren Lautsprecher nutzen. Durch die gute Abmischung entsteht eine akustisch eindrucksvolle Atmosphäre, die alle Lautsprecher nutzt.

Extras

Amer – Die dunkle Seite der TräumeDas Bonusmaterial besteht aus vier Kurzfilmen der Regisseure, die zwischen 3 und 10 Minuten lang sind. Dabei handelt es sich um experimentelle Stilübungen, die das ästhetische und akustische Arsenal der formalen Mittel nutzen, die in „Amer“ zu einem Langfilm verschmolzen sind. Die ähnlichen Motive stellen trotz der unterschiedlichen „Erzählungen“ eine Verbindung zu „Amer“ her.
Daeben ist der Trailer zum Film enthalten.

Fazit

„Amer“ erweist sich als intellektuell-psychologisches Spiel mit thematischen Aspekten des Giallos, die in teils surrealen Bildern reflektiert und analysiert weden. Dabei entgeht der Film durch die visuelle Strahlkraft seiner Bilder der Gefahr eines reinen Gedankenexperiments, das in künstlicher Kälte gefangen wäre.

Stefan Dabrock

31.05.2012

   
Originaltitel Amer (Frankreich/Belgien 2009)
Länge 94 Minuten (24p)
Studio Koch Media
Regie Hélène Cattet, Bruno Forzani
Darsteller Cassandra Forêt, Charlotte Eugène Guibeaud, Marie Bos, Bianca Maria D'Amato, Harry Cleven, Delphine Brual, Jean-Michel Vovk, Bernard Marbaix, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DTS-HD-Master 5.1 Deutsch, Französisch
Untertitel Deutsch
Extras Vier Kurzfilme, Trailer
Preis ca. 17 EUR
Bewertung gut, technisch sehr gut