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rezensionen

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kurzrezension

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22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

dvd

Eingefrorene Wunden der Seele

Im Glaskäfig

Für eine herausragende DVD-Edition (sehr gute Bildqualität und überzeugendes Bonusmaterial) wird dieser DVD der Gipfel verliehen.

 

Im Glaskäfig

Selbst wenn ein Universum unendliche Ausmaße besitzt, bleibt es für den Menschen doch immer begrenzt, weil seine Erfassungsmöglichkeiten beschränkt sind. Er ist immer ein Gefangener eines selbst abgesteckten Raumes, dessen Beschaffenheit im besten Falle flexibel ist, so dass das Gefängnis dank seiner Dynamik gar nicht als solches erfahren wird. Der ehemalige KZ-Arzt Klaus in Agustí Villarongas „Im Glaskäfig“ kennt die Dynamik nicht mehr. Rein körperlich ist er nach einem Selbstmordversuch an eine Eiserne Lunge gebunden, die ihn am Leben erhält, aber jegliche Bewegungsfreiheit nimmt. Psychisch ist er am Ende, da er seiner während der NS-Zeit kultivierten Lust für den Knabenmord nach Missbrauch auch in seinem spanischen Exil nicht entsagen konnte. Der gescheiterte Selbstmordversuch hat ihm nicht nur die Möglichkeit der Flucht genommen, er ist nun auch mit seinem kranken Verlangen gefangen, ohne es ausleben zu können. Als ein junger Mann auftaucht, der als Kind möglicherweise mit Klaus' Begierden Bekanntschaft gemacht hat, stellt ihn Klaus gegen den Willen seiner Frau als Pfleger ein. Nach und nach übernimmt der neue Hausbewohner das Kommando. Er macht sich die Tochter des ehemaligen KZ-Arztes gefügig und beginnt mit Klaus ein Machtspiel, das auf gegenseitige Abhängigkeiten beruht.

Der Missbrauch von Kindern und seine Auswirkungen auf die Seelen der betroffene Opfer ist ein Thema, das der mallorcinische Regisseur Augustí Villaronga mehrfach, unter anderem in „El Mar“ (2000) verarbeitet hat. In seinem Film „Im Glaskäfig“ resultiert daraus ein Geflecht aus Abhängigkeiten, Machtobsessionen und sexueller Begierden, das trotz seiner stetigen Entwicklung wie ein Abbild eingefrorener Seelenverwundungen wirkt, die keinen nennenswerten Bewegungsspielraum zulassen. Langsam aber sicher wird aus dem als Pfleger eingestellten jungen Mann ein beweglicher Ersatz des körperlich unbeweglichen Arztes. Opfer und Täter tauschen aber nicht einfach die Rollen, zumal sich der junge Mann auch wieder an Kinder hält, sondern es ist ein seltsames Spiel aus wechselseitigen Abhängigkeiten. Der Arzt Im Glaskäfig zieht aus den Demütigungen, denen er unterzogen wird, eine gewissen Befriedigung wie er auch die Entwicklung seines Pflegers zu einem sadistischen Menschen mit gewisser Freude als sein Werk begreift. Der Pfleger wiederum, der das erfahrene Leid nicht hinter sich lassen kann, empfindet gegenüber dem Peiniger sowohl Hass, als auch eine schwer erträgliche Verbundenheit, da der ehemalige KZ-Arzt die Entwicklung des jungen Mannes zu dem, was er jetzt ist, maßgeblich mitgeprägt hat.

Beide Figuren tragen so tiefe Wunden mit sich herum, dass ihr Horizont darauf beschränkt ist. Ihr Universum lässt keine andere Sichtweise mehr zu. Darin steckt eine zutiefst verstörende Tragik, die vor allem die Figur des jungen Mannes einhüllt. Um ihn herum befindet sich eine Welt jenseits psychischer Zerstörung und geschlossener Obsession, zu der die Haushälterin sowie die Tochter des ehemaligen KZ-Arztes gehört. Obwohl sie nicht verborgen ist, kann er sie nicht betreten. Villaronga reflektiert die Gefangenschaft ohne äußere Mauern durch das kristallklare, blaue Licht, in das er viele Szenen taucht. So klar alles darin erscheint, so sehr wirkt es mit seiner kühlen Strenge auch wie eine unsichtbare Grenze, deren Macht Ausdruck der inneren Bewegungslosigkeit der Hauptfiguren ist. Im kleinen Rahmen können sie sich zwar entwickeln, aber das Feld, auf dem das stattfindet, ändert sich nicht.

Bildqualität

Nach „Ein Kind zu töten“ hat das Label Bildstörung auch auf seiner nächsten DVD einen Film in ausgezeichneter Bildqualität veröffentlicht. Die Schärfe ist dank klarer Konturen und guter Detailzeichnung sehr gut geworden. Die kräftigen Farben geben die zunehmend gespenstische Atmosphäre des ausdrucksstarken Kammerspiels sehr gut wieder. Der Kontrast sorgt für ein plastisches Bild, dessen Elemente sich klar voneinander abheben. Das leichte Hintergrundrauschen stört nicht. Sonstige Rauschmuster treten nicht in Erscheinung.

Tonqualität

Die spanische Tonspur besitzt klare und verständliche Dialoge ohne nennenswertes Rauschen. Verzerrungen fallen bei dem ausgewogenen Klangbild nicht auf. Dank einer guten Dynamik kommt auch die Musik entsprechend zur Geltung, so dass sich auch der Ton der ausgezeichneten Bildqualität anschließt. Eine deutsche Synchronisation existiert nicht, so dass der nicht Spanisch sprechende Zuschauer auf die deutschen Untertitel angewiesen ist.

Extras

Im Glaskäfig

Der Audiokommentar von Agustí Villaronga (Regie) liefert fundierte Analysen einzelner Szenen, erläutert die teilweise schwierigen Drehbedingungen und geht auch auf die Projektentwicklung ein. Villaronga spricht fast ohne Pause, so dass der Kommentar sehr lohnenswert ist.

Das Interview mit Agustí Villaronga (etwa 28 Minuten) überschneidet sich leicht mit einzelnen Ausführungen des Audiokommentars, bringt aber darüber hinaus eine Vielzahl an weiteren Informationen über die Arbeit mit den Schauspielern, Villarongas Verständnis des Films und die Einordnung des Projektes in sein filmisches Schaffen. Ein reichhaltiges Interview.

In der kommentierten Bildergalerie (etwa fünf Minuten) erläutert Villaronga die Herkunft einzelner Motive und Fotos, so dass eine rein sterile Wiedergabe irgendwelcher, schwer einordbarer Bilder vermieden wird.

Der Storyboard-Film-Vergleich (etwa elf Minuten) setzt die zentrale Sequenz, während der die Frau des ehemaligen KZ-Arztes ermordet wird, in Bezug zur zeichnerischen Vorarbeit, in dem Filmausschnitt und Storyboard parallel zu sehen sind. Der ursprünglich geplante und nie gedrehte Anfang ist als reine Storyboard-Abfolge ebenfalls enthalten (etwa drei Minuten). Der Trailer sowie ein umfangreiches 16seitiges Booklet runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

„Im Glaskäfig“ setzt sich auf eigenwillig erschreckende Weise mit den Themen Kindesmissbrauch, Macht, Lust am Töten und Faschismus auseinander. Das kammerspielartige Drama arbeitet mit einer bläulich-metallischen Optik, die das zwanghafte Geschehen auf gespenstische Weise hinter eine unsichtbaren Mauer einpfercht. Technisch ist die DVD ausgezeichnet.

Stefan Dabrock

05.05.2009

   
Originaltitel Tras el cristal (Spanien 1987)
Länge 107 Minuten (Pal)
Studio Bildstörung
Regie Agustí Villaronga
Darsteller Günter Meisner, David Sust, Marisa Paredes, Gisèle Echevarría, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton DD 2.0 Spanisch
Untertitel Deutsch
Extras Audiokommentar mit Augustí Villaronga (Regie), Interview mit Augustí Villaronga, u.m.
Preis ca. 24 EUR
Bewertung sehr gut, technisch ausgezeichnet