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rezensionen

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kurzrezension

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22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

dvd

Hypnotisch-süffiger Filmjazz

Die nackten Augen der Nacht

Am 02. April starb Jess Franco im Alter von 82 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. Zu diesem Zeitpunkt war die Besprechung zur DVD seines Films „Die nackten Augen der Nacht“ bereits fertiggestellt. Ein eher unbekannteres Werk aus seinem filmischen Schaffen, das wieder einmal problemlos in der Lage war, die Grenzen des Gewohnten zu sprengen. Eine Ausflugsfahrt für das Hirn in die Regionen des Triebes, der Obsession und des Surrealen. In den 1990er Jahren gab es in einem Programmkino in meiner Nähe eine „Sexadelic Dance Party“ überschriebene Veranstaltung, auf der Francos Filme „Vampyros Lesbos“ und „Sie tötete in Ekstase“ gezeigt wurden. So heißt auch die CD, auf der die Musik zu hören ist, die in beiden Filmen verwendet wurde. Möge Jess nun an einem anderen Ort auf einer „Sexadelic Dance Party“ tanzen.

Die nackten Augen der Nacht

In Jess Francos reichhaltiger Filmographie gibt es Werke wie „Das Geheimnis des Doktor Z“ („Miss Muerte“, Spanien/Frankreich 1966), die eine vergleichsweise gradlinige Geschichte erzählen, und es gibt Arbeiten wie „Die nackten Augen der Nacht“.
Die Handlung beschränkt sich hier auf sehr wenige Elemente. Die Striptease-Akteurin Anna de Istria (Diana Lorys) lebt mit Cynthia Robins (Colette Jack) in deren Haus zusammen, nachdem sie von Robins aus einem Nachtklub herausgeholt worden ist. Die sexuell geführte Beziehung der beiden ist angespannt, weil Robins einen sehr dominanten Part einnimmt. Anna wird zunehmend von Albträumen geplagt, in denen Morde eine Rolle spielen. Deswegen sucht sie Hilfe bei Dr. Paul Lucas (Paul Muller), einem Psychiater und Bekannten von Robins. Doch der verfolgt zusammen mit Robins andere Pläne und ist an einer echten Behandlung Annas nicht interessiert.
Ohne nennenswerte Verdichtung passt die Erzählung des Films in diese fünf Sätze, lässt man einmal die Auflösung weg, die auch mit einem Pärchen zu tun hat, das Cynthia Robins' Anwesen aus der Nachbarschaft heraus mit einem Fernglas beobachtet. Franco interessiert sich nicht für eine Geschichte, die mit Dynamik nach klassischer Dramaturgie vorangetrieben wird. Wie ein Jazzmusiker entfaltet er stattdessen seine obsessiven Motive, denen er per Montage eine rhythmische Struktur verpasst. Die düstere Traumwelt der Anna beinhaltet nicht nur eine immer wiederkehrende Bettszene, die in einem Mord gipfelt, in ihr tauchen auch umherfliegende Vögel in einer Voliere auf. Sex und Angst vor Kontrollverlust entwickeln in der Montage eine bedrohliches Miteinander. Der zwischen Jazz und schmissiger Lounge-Atmosphäre wechselnde Soundtrack heizt die Stimmung tranceartig an. Todessymbolik trifft Die nackten Augen der Nacht auf suggestive Musik. Franco hat nichts anderes im Sinn, als die unterbewusst funktionierenden Regionen des menschlichen Gehirns anzusprechen, das sich dem Sog seiner Bilder nicht entziehen kann, wenn man sich ihnen ohne rationale Schranke aussetzt.
Weil die Montage seines gedrehten Materials keine logische Struktur entwickelt, platzt der Film förmlich aus dem Rahmen des Nachvollziehbaren. Die Grenze zu einer Welt, in der keine Regeln herrschen, in der Triebe, Obsessionen, Fetisch, Gewalt und Willkür regieren, wird für die Spieldauer des Films aufgestoßen. „Die nackten Augen der Nacht“ anzusehen ist im besten Fall wie die Reise in eine unbekannte Region menschlicher Natur, bei der man visuell-direkt erfahren kann, was da alles unter der Oberfläche brodelt, auch wenn man glaubt, damit nichts zu tun zu haben. Habgier und Niedertracht, mit der sich die Menschen immer wieder begegnen, gehören ebenso dazu, wie die Lust, Macht auszuüben oder sich ihr hinzugeben, sowie die Lust der Männer, nackte Frauen anzusehen. Aber Franco codiert das nicht mithilfe einer verständlichen Erzählung, er dringt stattdessen ungefiltert in sein eigenes Gehirn ein, um die darin befindlichen Bilder zu einer irrsinnigen Kollage zusammenzufügen. Das heißt aber nicht, dass sie nur eine Ausgeburt Francos sind, mit der sonst niemand etwas zu tun hat. Denn die brodelnden Kräfte, die verschiedene Menschen antreiben, sind sich ähnlicher, als manche denken. Wie man sie nutzt, macht den Unterschied.

Bildqualität

Die nackten Augen der Nacht

Der Film galt lange Zeit als verschollen und so ist es nicht verwunderlich, dass man bei der Bildqualität Abstriche machen muss. Weite Teile des Films sehen sehr matschig aus, während manche Szenen bei der Schärfe etwas anziehen. Vor allem die jenseits der Träume spielenden Szenen in Cynthia Robins' Haus gehören zu den klarsten Aufnahmen. Die Farben wirken ausgebleicht und der Kontrast kann nicht verhindern, dass einzelne Teile überstrahlen. Hier ist allerdings auch zu beachten, dass Franco auf technische Sorgfalt nicht immer großen Wert gelegt hat. Die Überbelichtungen können also auch bereits hier ihre Ursache haben. Verschmutzungen, analoges Rauschen und Abnutzungserscheinungen sind ebenfalls vorhanden. Trotz der eindeutigen Schwächen des zugrunde liegenden Materials kann man den Film aber gut ansehen, ohne Augenschmerzen zu bekommen. Soweit bekannt gibt es auch kein besseres Material zu dem Film. Deswegen ist die DVD völlig in Ordnung.

Tonqualität

Die Tonspuren werden von einem deutlichen Hintergrundrauschen begleitet, das aber noch im Rahmen bleibt. Die Dialoge lassen sich deswegen gut verstehen. Ihnen fehlt es zwar etwas an Volumen, aber das ist bei Mono-Tonspuren nicht ungewöhnlich.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus zwei Trailern zum Film.

Fazit

„Die nackten Augen der Nacht“ erzählt auf rudimentäre Art eine Geschichte, die zudem nur relativ vage nachvollziehbar ist. Darum geht es bei Francos süffigem Film-Jazz aber auch gar nicht. Stattdessen jongliert der Spanier gekonnt mit obsessiven Motiven aus Fetisch, Macht, Habgier und Todessymbolik, um sie zu einer tranceartig-rhythmischen Komposition zusammenzufügen. Technisch weist die DVD aufgrund der schwierigen Materiallage Schwächen auf, die deswegen aber auch in Ordnung sind.

Stefan Dabrock

04.04.2013

   
Originaltitel Les cauchemars naissent la nuit (Liechtenstein 1970)
Länge 80 Minuten (Pal)
Studio Donau Film
Regie Jess Franco
Darsteller Diana Lorys, Paul Muller, Colette Jack, Soledad Miranda, Andrés Monales, u.a.
Format 1:1,33 (4:3)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch, Französisch
Untertitel Deutsch
Extras Trailer
Preis ca. 15 EUR
Bewertung hypnotisch, technisch mit Schwächen, aufgrund der Materiallage aber in Ordnung