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dvd

Jaynes Weltbild

Die wilde, wilde Welt der Jayne Mansfield

geschnittene Version

Die wilde, wilde Welt der Jayne Mansfield

Das amerikanische Starlet Jayne Mansfield starb am 29. Juni 1967 bei einem Autounfall. Ein knappes Jahr später brachten findige Produzenten den Mondo-Film „Die wilde, wilde Welt der Jayne Mansfield“ heraus, in dem die Aktrice eine kleine Europareise unternimmt, um zwischen Straßenstrich und Nachtlokalen ein paar sexuelle Skurrilitäten zu präsentieren, die per Oberkommentar als Sensation verkauft werden sollen. Mansfields Aufnahmen stammen laut imdb.com im Wesentlichen aus dem Sommer des Jahres 1964. Die abschließenden Szenen aus Amerika – dahin kehrt die Schauspielerin zurück, um auch noch ein paar Geschichten aus den USA einzuflechten – wurden später im selben Jahr gedreht. Mansfields unerwarteter Tod veranlasste die Macher, zusätzliches Material mit dem trauernden Ex-Mann Mickey Hargitay in den Film zu schneiden, was geschmacklos angereichert wurde. Aber dazu später mehr.

Big Ben Movies hat nun die deutsche Kinofassung dieses absonderlichen Films auf DVD veröffentlicht, die etwa 20 Minuten kürzer als die Originalfassung ist. Es fehlen beispielsweise Aufnahmen einiger Kleinwüchsiger mit einer Prostituierten sowie einiger Italiener, die Frauen, darunter auch Mansfield, in den Po kneifen. Zusätzlich wurden die Szenen, in denen Mansfields Tod thematisiert wird umgeschnitten. Sie bilden nun eine Rahmenhandlung und nicht nur den Abschluss des Films.

Aber zurück zur drolligen Europareise der amerikanischen Schauspielerin. Am Anfang bewundert sie die antiken Sehenswürdigkeiten Roms, die sie zu Tagträumen mit Bildern aus einem Monumentalfilm veranlassen. Dann entdeckt sie jedoch einen ersten frivolen Höhepunkt, wenn sich Frauen angeblich zwischen den Büschen des Forum Romanum umziehen, um nach der Arbeit in lässige Ausgehklamotten zu schlüpfen. Ein verschämter Witz schließt sich an, der ein solches Verhalten in Amerika ausschließt, allein schon weil es keine Ruinen gäbe. Danach Die wilde, wilde Welt der Jayne Mansfield observiert Mansfield zufällig den Straßenstrich, bevor es nach Cannes geht, wo sie sich zu einer vorgelagerten Insel inklusive Nudistenkolonie schippern lässt. Auf Cannes folgt Paris, dessen zentrale Sehenswürdigkeiten Eifelturm und Arc de Triomphe kurz eingefangen werden, bevor Mansfield ein paar Nachtklubs zeigt. Zu guter Letzt präsentiert die Amerikanerin noch einen Transvestitenwettbewerb in New York und die in Kalifornien um sich greifende Mode, gewöhnliche Tätigkeiten wie Schuhputzen durch barbusige Frauen durchführen zu lassen.

Es bleibt ein großes Rätsel, wofür „Die wilde, wilde Welt der Jayne Mansfield“ produziert wurde. Als reißerischer Mondo-Film für Leute, die sich an sensationsheischenden Bildern delektieren wollen, kann er italienischen Produkten der damaligen Zeit nicht annähernd das Wasser reichen. Präsentiert wird vielmehr eine harmlos-biedere Mischung aus gestellten Reiseimpressionen, die an private Urlaubsvideos erinnern, und vermeintlichen Aufregern. Eine Nudistenkolonie, von der übrigens so gut wie nichts zu sehen ist, wird ebenso zur großen Nummer stilisiert, wie angeblich überall in Paris herumlungernde nackte oder leicht bekleidete Frauen. Während einer Seine-Fahrt beobachtet Mansfield wie ein alter Man mit nackten Oberkörper seine obenrum mit einem BH bekleidete etwa gleichaltrige Frau auf seinem Boot um die Kajüte scheucht. Die Botschaft ans amerikanische Publikum lautet wohl, die Europäer sind schon seltsam. Sensationell ist an den Aufnahmen jedoch nichts. Der Versuch, mit gestellten Szenen das Alltagsleben der Europäer in ein frivoles Licht zu rücken, wirkt vielmehr nur bizarr und grenzt selbst in der kürzeren deutschen Version schon an Langeweile.
Parallel dazu existieren die Aufnahmen aus einigen Nachtklubs, wobei unklar ist, ob sie wirklich dort gedreht wurden. Züchtige Stripteasenummern geben sich die Klinke in die Hand. Dabei geht es jedoch mehr um die Show als um nackte Tatsachen. Ein bisschen Haut ist aber schon zu sehen, weil die beteiligten Menschen in der Regel nur untenrum leicht bekleidet sind.
Selbst die angeblich aufkeimende Oben-Ohne-Mode aus Kalifornien wirkt verschämt, weil die reine Präsentation einiger Frauen, die gewöhnliche Tätigkeiten barbusig ausführen, an Harmlosigkeit kaum zu überbieten ist. Ohne eine spezielle Inszenierung des Körpers entsteht keine Spannung.

Über die Frage nach dem Schauwert der Bilder kommt man dem Film also in keiner Weise bei, weil er schlicht und ergreifend keine Schauwerte vorzuzeigen hat. Stattdessen macht er etwas anderes, was absolut grenzwertig ist. Der naiv vorgetragene Kommentar Mansfields, der zu gewissen Teilen gar nicht von ihr stammt, inszeniert sie selbst als harmlose Schönheit von schlichtem Gemüt, die bei Männern Beschützerinstinkte wecken soll. So zeigt sie sich aufgrund der scheinbar vorgefundenen europäischen Freizügigkeit nicht nur „schockiert“, sie gibt auch schlichteste Selbstverständlichkeiten über historische und geografische Gegebenheiten zum Besten, wenn sie beispielsweise auf die Länge der Seine hinweist. Ihre Überraschung angesichts der Tatsache, dass der Fluss nicht nur in Paris existiert erzeugt den naiven Charakter ihrer Aussage. Sie erscheint als harmlose Frau, die selbst ein bisschen erotische Ikone spielen darf – das ist ihr selbst erarbeitetes Image aus der Vergangenheit -, aber im Grunde genommen kontrollierbar ist. Es entsteht das Bild einer gezähmten Schönheit, die sich mit heterosexueller Natur in ein klassisches Familienbild der 1950er Jahre einordnet. Nicht umsonst wird sie später im Film per Kommentar noch als Hausfrau und Mutter gefeiert. Ausgehend von diesem Weltbild ändert sich natürlich der Blick auf die Szenerien des Films. Denn auf einmal sind die eigentlich harmlosen Aufnahmen durchaus sensationell und erschreckend, weil sie sich von diesem Weltbild abheben. Alles was nicht hineinpasst, wird mit neckisch vorgetragener Entrüstung kommentiert. Da gibt es die Frau, die sich gegen das plumpe Anbaggern eines Mannes zur Wehr setzt, um sich hinter der nächsten Straßenecke als Lesbe zu outen. Und der Kommentar setzt auf Überraschung mit dem Tenor eines „Na sowas aber auch“. Diese Strategie durchzieht den ganzen Film und stellt auch Schwule und Transvestiten in das gleiche Licht.

Die einrahmenden Szenen entwerfen dann das entscheidende Unschuldigkeitsbild. Mansfields trauernder Ex-Mann Mickey Hargitay (der Begriff Ex-Mann soll übrigens nicht darauf hinweisen, dass Hargitay jetzt Witwer wäre, zum Zeitpunkt von Jayne Mansfields Tot waren beide bereits seit 4 Jahren geschieden) sitzt nach dem Unfalltod seiner Frau in sich gekehrt am Flügel. Das gemeinsame Anwesen mit diversen Accessoires in Herzform wird romantisch interpretiert, um eine glückliche Beziehung zwischen Mann und Frau zu idealisieren, aus der zwei Kinder hervorgegangen ist. Und ganz wichtig ist, dass Mansfield laut Kommentar eine gute Hausfrau und Mutter war. Neben dieser Idealisierungsausbeutung fällt aber besonders die geschmacklose Sensationsgier auf, die ausgerechnet hier an die Grenzen getrieben wird. Aus der subjektiven Perspektive wird ein Autounfall gezeigt, der an einem Baum endet und Mansfields unglücklichen Tod symbolisch illustrieren soll. In Wirklichkeit stieß ihr Wagen mit einem LKW zusammen. Danach gibt es noch Fotoaufnahmen von der Unfallstelle, die aussehen, als stammten sie von der echten Unglücksstelle.

Bildqualität

Die wilde, wilde Welt der Jayne Mansfield

Die zugrundeliegende Kopie der DVD hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel und sieht entsprechend abgenutzt aus, ohne einen schlechten Eindruck zu machen. Zur Verregnung gesellen sich ein paar kurze Aussetzer, da an wenigen Stellen ein paar Sekunden fehlen. Die Schärfe ist mager, weil die Konturen einfach weich aussehen und der Detailgrad reduziert ist. Das liegt zu einem gewissen Teil natürlich auch an der Art der damals gemachten beziehungsweise vielleicht auch nur bei irgendeinem Archiv eingekauften Filmaufnahmen. Mondofilme arbeiten ja oft mit vorgefundenem Material, das nur mehr oder weniger geschickt montiert sowie kommentiert wird. Die Farben sind etwas ausgebleicht, die Körnigkeit des Materials deutlich zu sehen. Die Qualität stört den Eindruck des Films jedoch nicht, denn letztlich entwickelt so ein alter Mondofilm den Charakter eines vergessenen Schatzes, den man gehoben hat. Skurriles wirkt noch absonderlicher, wenn Bildfehler darauf hinweisen, dass die Aufnahmen unter Bedingungen entstanden sein könnten, die den Zugang zu ihnen erschweren.
Das auf dem Cover angegebene Bildformat von 1:1,78 stimmt übrigens nicht, der Film ist im Format von 1:1,66 enthalten.

Tonqualität

Der deutsche Monoton kann sein Alter auch nicht verbergen. Zum Hintergrundrauschen, das im Rahmen bleibt, stoßen Verzerrungen bei den Höhen. Das gilt sowohl für Musik und Kommentar. Da aber alles verständlich bleibt, ist auch das kein Aufreger. So eine Pseudodokumentation lebt auch hier vom rauen Charme.

Extras

Bonusmaterial existiert nicht.

Fazit

„Die wilde, wilde Welt der Jayne Mansfield“ ist nicht absonderlich genug, um die Sensationsgier zu befriedigen, es sei denn man hält Schwule, Lesben, Transvestiten, Nudisten, den Eifelturm, das Colosseum und den Arc der Triomphe für verboten anstößig. Das Werk ist vielmehr ein bemerkenswertes Zeitdokument, das die Biederkeit einer Hausfrauenfamiliensituation idealisiert und dafür auch einen geschmacklosen Umgang mit Mansfields Tod nicht scheut.

Stefan Dabrock

28.05.2013

   
Originaltitel The Wild, Wild World of Jayne Mansfield (USA/Frankreich/BRD 1968)
Länge 70 Minuten (Pal)
Studio Big Ben Movies
Regie Charles W. Broun Jr., Joel Holt, Arthur Knight
Darsteller Jayne Mansfield, Mickey Hargitay, Fernand Aubrey, The Ladybirds, u.a.
Format 1:1,66 (16:9)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch
Untertitel -
Extras -
Preis ca. 18 EUR
Bewertung Zeitdokument zwischen Bieder- und Geschmacklosigkeit, technisch in Ordnung