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rezensionen

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03.03. Die weiße Mafia
16.02. Das Mädchen mit den schwarzen Strümpfen
11.02. Im Dutzend zur Hölle
28.01. Die Engel von St. Pauli
21.01. Die Todeskralle des grausamen Wolfes
06.01. Die Mörderklinik
12.12. Paul Temple: Jagd auf Z
27.11. Die drei Supermänner räumen auf
30.10. Die Heuchler
10.10. X 312 … Flug zur Hölle...
03.10. Das Todeslied des Shaolin
15.09. Der Koloss von Konga
26.08. Das Omen des Bösen
11.08. Menschen im Hotel
06.08. Mädchen: Mit Gewalt

kurzrezension

09.11. Return of the Warrior
30.05. Iron Sky - Director's Cut (blu-ray)
21.05. Captain Invincible oder „Wer fürchtet sich vor Amerika?“
22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

dvd

Amok-Schock

Der Mann auf dem Dach

Der Mann auf dem Dach

Die Beiläufigkeit des Titels „Der Mann auf dem Dach“ passt hervorragend zum konzentrierten Inszenierungsstil, mit dem Bo Widerberg den Krimi gestaltet hat, und bereitet gerade deswegen kaum auf den Schrecken vor, der einen erwartet.
Aber am Anfang steht erstmal eine grelle Mordszene, die aus einem perfekten Horrorfilm stammen könnte. In einem Krankenhaus wird Polizeikommissar Stig Nymann mit einem Bajonett aufgeschlitzt. Kommissar Martin Beck (Carl-Gustaf Lindstedt) übernimmt mit seinem Kollegen Einar Rönn (Håkan Serner) die Ermittlungen. Später stoßen noch die Polizisten Kollberg (Sven Wollter) und Larsson (Thomas Hellberg) hinzu. Ihre Nachforschungen bringen ans Tageslicht, dass Nymann ein Polizist war, der gerne gewalttätige Mittel eingesetzt hat, um seine Ziele zu erreichen. Alle Beschwerden verliefen jedoch im Sande, aber die Zahl der persönlichen Feinde ist mit der Zeit angewachsen. Während Beck und seine Mitstreiter dem möglichen Täter immer näher kommen, beginnt mitten in Stockholm ein Amoklauf. Ein Mann hat sich auf einem Hausdach verschanzt und schießt auf Menschen.
Auf die elegant ausleuchtete Eingangsszene folgt die etwas muffig anmutende Polizeiroutine, deren visuelle Gestaltung zwar nicht so spektakulär, aber nicht minder effektiv angelegt wurde. Reduzierte Farben mit vielen Braun- und Grautönen dominieren den Ermittlungsalltag des erfahrenen Kommissar Beck, der immer auch ein bisschen müde wirkt. Die zahlreichen Verbrechen, mit denen er konfrontiert war, haben ihre Spuren hinterlassen. Leichtigkeit existiert hier nicht. Das ist bei den jüngeren Kollegen aber kaum anders. Auch sie strahlen eine Anspannung aus, als habe ihre Psyche bereits unter dem Job gelitten. Die Kameraleute Per Källberg und Odd-Geir Sæther bleiben ganz nah bei den Figuren, um in den Gesichtern, den matten Blicken und der Körpersprache zu lesen. Dabei finden sie eine Mischung aus Pflicht, Engagement und muffiger Routine, hinter der eine Kraft zu lauern scheint, die bei fehlender Befriedigung an Dynamik gewinnt. Sie steht nicht nur den Menschen ins Gesicht geschrieben, sie wird auch in den drögen Räumen der Polizeireviere oder den Wohnungen sichtbar. Deren Einrichtung wirkt entweder wie museal verkrusteter Bürgerschick oder sieht zweckmäßig schlicht aus.

Widerbergs große Leistung besteht in der bruchlosen Zusammenführung der Bild- und Interpretationsebene, die aufgrund ihrer jeweiligen Eigenschaften nicht zwangsläufig eine Einheit bilden würden. Obwohl alles was er zeigt, absolut normal ist, gelingt es ihm, die lauernde Gewalt hinter der Oberfläche anzulegen. Das liegt einerseits an der Anfangsszene, mit deren Schockmoment Widerberg unmissverständlich klar macht, dass die Stille immer nur trügerisch ist. Andererseits wird mithilfe der vielen Handkameraaufnahmen eine dezente Unruhe in die Normalität hineingetragen, die irritierend wirkt. Da Widerberg bei seinen Der Mann auf dem Dach filmischen Mitteln weitgehend auf spektakuläre Showeffekte verzichtet, verbindet er die Irritation mit der Normalität zur beschriebenen Einheit. Daraus entwickelt er einen grausamen Schrecken, weil die Gewalt ganz schleichend zu einem Teil der gesellschaftlichen Realität wird. Diese Erkenntnis muss müde machen, so müde wie Kommissar Beck ist, der seine Pflicht der Verbrechensbekämpfung dennoch nicht über Bord werfen kann. Aufgeben will er nicht, auch wenn das Weitermachen Kraft kostet.

Die Ruhe der Ermittlungsarbeit bildet einen idealen Kontrast zum Amoklauf, mit dem sich die Ereignisse zuspitzen. Denn auch wenn Gewalt und Irritation bereits spürbar sind, die Wucht der Schüsse trifft einen wie ein Hammerschlag. Das Grausame daran ist, dass die angestaute Dynamik zwar endlich ausbricht, aber dass sie keinerlei Erleichterung zur Folge hat. Der Täter bleibt trotz der Ermittlungsergebnisse gesichtslos. Becks Fakten erweisen sich als dürres Motivgerippe, mit dem man zwar oberflächlich erklären kann, warum die Tat begangen wurde, aber für die Charakterisierung des Menschen dahinter reichen sie nicht. Deswegen ist jeder Schuss aus den Waffen des unfassbaren Täters ein weiterer Schock, der den Schrecken der Gewalt noch einmal potenziert. Verzweifelt versuchen die Polizisten den Schützen unschädlich zu machen. Aber die Ermittlungsroutine ist zum Thrill geworden, dessen gnadenlose Spannung alle in Atem hält. Ruhe ist nur noch ein Wort.

Bildqualität

Der Mann auf dem Dach

Die DVD überzeugt mit einem sauberen Bild, das auch noch eine gute Schärfe besitzt. Die leichte Körnigkeit des Materials gehört dazu ohne zu stören. Die reduzierte Farben sehen hervorragend aus, sodass die Atmosphäre des Films ihre Wirkung entfalten kann. Auch der Kontrast leistet sich keine Schwächen.

Tonqualität

Die Mono-Tonspuren machen ebenfalls einen guten Job. Die Dialoge sind gut verständlich und die stimmungsvolle Musik kommt gut zur Geltung. Die deutsche Tonspur wird neben den atmosphärischen Geräuschen allerdings von einem leichten, permanenten Hintergrundrauschen begleitet.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus einem vom DVD-Label Motion Picture selbst angefertigten Promo-Spot und einer Bildergalerie.

Fazit

Mit der richtigen Mischung aus Thrill und Muffigkeit hat Bo Widerberg einen mitreißenden Thriller gedreht, in dem die Gewalt in der Normalität der Gesellschaft zu suchen ist, auch wenn sie wie ein brachialer Schock über die Menschen hereinbricht. Technisch ist die DVD gut.

Stefan Dabrock

15.10.2013

   
Originaltitel Mannen på taket (Schweden 1976)
Länge 107 Minuten (Pal)
Studio Motion Picture
Regie Bo Widerberg
Darsteller Carl-Gustaf Lindstedt, Sven Wollter, Thomas Hellberg, Håkan Serner, Ingvar Hirdwall, Bellan Roos, Gus Dahlström, Harald Hamrell, Birgitta Valberg, u.a.
Format 1:1,66 (16:9)
Ton Mono Deutsch, Schwedisch
Untertitel Deutsch
Extras Promo-Spot, Bildergalerie
Preis ca. 23 EUR
Bewertung sehr gut, technisch gut