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kurzrezension

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dvd

Agonie

Himizu

Himizu

Ursprünglich hatte Shion Sonos „Himizu“ nichts mit der Tsunami-Katastrophe und dem anschließenden GAU im Atomkraftwerk Fukushima zu tun. Die Verfilmung eines Mangas aus der Feder Minoru Furuyas war schon längst angelaufen, als die dramatischen Ereignisse stattfanden. Daraufhin veränderte Sono den Film, um den Schrecken zu verarbeiten.
Der 15-jährige Yuichi Sumida (Shôta Sometani) lebt zusammen mit seiner Mutter (Makiko Watanabe) in einem schäbigen Bootshaus mit angeschlossenem Verleih, in dessen Nähe seit der Katastrophe eine kleine Gruppe Obdachloser in selbstgebauten Zelten wohnt. Die schrulligen, zumeist liebenswerten Tsunamigeschädigten haben durch die Flutwelle ihre Existenzgrundlage verloren und schlagen sich mehr schlecht als recht durchs Leben. Yuichis Mutter kümmert sich ebenso wenig um ihren Sohn wie der kaum anwesende Vater (Ken Mitsuishi), der Alkohol und Glücksspiel wesentlich mehr schätzt. Als seine Mutter verschwindet, schmeißt Yuichi die Schule hin, um sich in die Isolation des Bootshauses zurückzuziehen. Aber seine Mitschülerin Keiko Chazawa (Fumi Nikaidô), die sich in ihn verliebt hat, lässt ihn nicht in Ruhe. Sie entwirft Ideen, wie man aus dem Verleih ein lukratives Geschäft machen kann. Damit trifft sie bei Yuichi auf wenig Gegenliebe, der zu allem Überfluss auch noch vom Gangster Kaneko (Denden) heimgesucht wird, weil sein Vater dem Yakuza Geld schuldet.

Die Tsunami-Katastrophe findet ihren Niederschlag in den Obdachlosen, die erzählen, dass die Flut ihnen ihr Hab und Gut genommen habe, und in Bildern verwüsteter Städte, die Sono sporadisch zwischen das übrige Geschehen montiert. Die Kernkraft taucht in einem Beitrag auf, der während eines Mordes ganz nebenbei im Fernsehen läuft. So ruft Sono regelmäßig das Desaster in Erinnerung, um der Coming-of-Age-Geschichte des jugendlichen Yuichi eine Interpretationsfolie zu verpassen, die sonst nicht vorhanden wäre. Denn Yuichis soziale Probleme haben damit zunächst wenig zu tun.
Er wächst in einer disfunktionalen Familie auf, ohne feste Bindungen und Elternliebe zu erfahren. Hier ist Sono ganz bei seinem Lieblingsthema der Gesellschaftsanalyse, die er immer wieder mit radikalem Stilwillen vornimmt. Das Gewaltpotential in Japan führt er gerne auf verkorkste Familien- oder andere Sozialstrukturen zurück, die keinen Halt geben. Die Folge sind emotionale Verwahrlosung und psychische Probleme, die Sono mithilfe visueller Überhöhungen in Verbindung mit klassischer Musik zu brachialen Kinoeruptionen umformt, in Himizu denen Emotionen ein gewaltiges Trümmerfeld bilden. Das war bei „Cold Fish“ („Tsumetai nettaigyo“, Japan 2010) und „Guilty of Romance“ („Koi no Tsumi“, Japan 2011) schon so und ist bei „Himizu“ nicht anders. Wenn die unterdrückten Gefühle überhand nehmen, dann prügelt sich Yuchi mit Keiko, die er ohnehin abweisend behandelt. Yuchis Vater prügelt seinen Sohn und Yuchis Mutter interessiert sich nur für ein bisschen Sex mit einem Liebhaber.

Aber „Himizu“ wirkt trotz inhaltlicher Parallelen deprimierender als die Vorgänger. Zur reduzierten Farbpalette, die nur durch Keiko aufgebrochen wird, wenn sie das Bootshaus rosa streichen lässt, gesellen sich Schlamm und Hoffnungslosigkeit, weil Sono die Agonie der Hauptfigur und vieler Nebenfiguren bebildert. Ihr Kampf ums eigene Dasein wird durch die Montage mit der Tsunami-Katastrophe verknüpft, die eine Paralyse ausgelöst hat. Im Angesicht der Katastrophe fehlt der Lebenswille, das Aufbäumen gegen das Leiden, das einen immer wieder packt. Auch wenn das Ende letztlich offen bleibt und der Aufbruch möglich ist, überwiegt die Düsterkeit, in der die Existenz gar nicht mehr sichtbar ist.

Bildqualität

Himizu

Die gute Bildqualität der Bluray kommt der visuellen Wirkung des Films zu Gute. Die Schärfe sorgt für dein detailreiches Bild, das vor allem bei der Abwesenheit einer expressiven Farbdramaturgie wichtig ist, um die Atmosphäre einzufangen. Auch der ausgewogene Kontrast hat keine Schwierigkeiten mit den ähnlichen Farbtönen. Ein guter Transfer.

Tonqualität

Die DTS-HD-Master-5.1-Tonspur entfaltet im Rahmen der Möglichkeiten eine gute räumliche Atmosphäre. Nebengeräusche und Musik sorgen immer wieder für einen wuchtigen Klang, den man dem Film gar nicht zugetraut hätte. Das liegt auch am immer wieder eingesetzten Dröhnen, Gurgeln und Zischen, das sie Dramatik überhöht. Nur durch das gute Sounddesign entfaltet der Film überhaupt erst seine Wirkung.

Extras

Das gut 70-minütige, deutsch untertitelte Making Of besteht im Wesentlichen aus einer chronologischen Montage bei den Dreharbeiten entstandenen Dokumentarmaterials. Dabei plätschert es ein wenig vor sich hin und wird immer dann interessant, wenn die Darsteller über ihr Verhältnis zu Shion Sono und der eigenen Rolle reflektieren. Die Zusammenschau der persönlichen Veränderungen, die während der Zusammenarbeit am Set entstehen, wirft einen spannenden Blick auf den künstlerischen Prozess der Filmarbeit.

Fazit

„Himizu“ verknüpft die deprimierende Coming-of-Age-Geschichte eines 15-jährigen Jugendlichen mit der zuvor über Japan hereingebrochenen Tsunami-Katastrophe. Dadurch potenziert Sono die ohnehin schon düsteren Aspekte der Erzählung und entwirft Bilder eines gesellschaftlichen Todeskampfes, bei dem offen bleibt, ob der Aufbruch gelingen kann.

Stefan Dabrock

16.11.2013

   
Originaltitel Himizu (Japan 2011)
Länge 129 Minuten (Pal)
Studio Splendid
Regie Shion Sono
Darsteller Shôta Sometani, Fumi Nikaidô, Tetsu Watanabe, Mitsuru Fukikoshi, Mehumi Kagurazaka, Ken Mitsuishi, Makiko Watanabe, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DTS-HD-Master 5.1 Japanisch
Untertitel Deutsch, Niederländisch
Extras Making Of
Preis ca. 12 EUR
Bewertung faszinierend, technisch gut