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rezensionen

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dvd

Anstalt der Marionetten

Driftwood

Für eine herausragende DVD-Edition (sehr gute Bildqualität und überzeugendes Bonusmaterial) wird dieser DVD der Gipfel verliehen.

 

Driftwood

Mit „Driftwood“ hat Tim Sullivan, der Regisseur von „2001 Maniacs“, ein Jugenddrama gedreht, das nur wenig mit dem grellen Ton des Vorgängers gemein hat. Der Jugendliche David Forrester wird von seinen Eltern in die Besserungsanstalt des mit harter Hand regierenden Captain Kennedy abgeschoben. Bei der Anstalt handelt es sich nicht um eine Einrichtung für straf- oder verhaltensauffällig gewordene Jugendliche, die durch den Staat eingewiesen werden, sondern um eine Institution, in der Jugendlich aufgrund der freiwilligen Entscheidung ihrer Eltern landen. So lange die Insassen minderjährig sind und ihre Eltern sie nicht abholen, haben sie keine Chance, aus der Anstalt herauszukommen. Der Ex-Marine Kennedy hat es sich zur Aufgabe gemacht, die ihm anvertrauten Jugendlichen durch diktatorische Strenge zu disziplinieren, damit sie ein wertvoller Teil der Gemeinschaft werden. Dabei geht es ihm aber nicht darum, die Persönlichkeiten der einzelnen Jugendlichen fortzuentwickeln, sondern darum, die Persönlichkeiten zu brechen. David fügt sich nur wiederwillig in das System ein, ist aber zunächst so klug, sich relativ ruhig zu verhalten. Als ihn jedoch eine Geistererscheinung heimsucht, kommt er dem Tod eines ehemaligen Insassen auf die Spur, der bei einem Fluchtversuch in den Sümpfen umgekommen sein soll. Je näher David der Wahrheit kommt, desto gefährlicher wird er für Captain Kennedy.

In zwei Szenen lugt der grell-satirische Geist hervor, mit dem Regisseur Tim Sullivan „2001 Manicas“ zu einem Splatterfilm mit bitterbösem Driftwood Unterton gemacht hat. Im Büro des Driftwood-Leiters ist ein Werbefilm zu sehen, in dem Eltern aufgefordert werden, durch eine Übergabe ihrer Sprösslinge zu verhindern, dass ihre Kinder die Schulmassaker-Täter von morgen werden. Als David zu neugierig geworden ist, schickt Captain Kennedy seine blonde Tochter los, die mit David ins Bett gehen soll, um ihn auszuhorchen. Beides ist durch die innewohnende Absurdität Ausdruck einer heuchlerischen Schmierigkeit, die das bodenlos bigotte System der Besserungsanstalt offenlegt. Dass beide Szenerien eine Beiläufigkeit besitzen, als sei das Dargestellte so normal wie die tägliche Morgentoilette, sorgt für ihre nahtlose Integration in die ansonsten ohne grelle Momente erzählte Geschichte. Aber gerade der bitterböse Unterton der beiden Handlungselemente ist entscheidend für das Verständnis des Films, da sie das vergleichsweise ruhige Drama mit dem höchst fragwürdigen System der Besserungsanstalt in Verbindung setzen.

Der recht früh in die Inszenierung eingebaute Werbefilm für die Anstalt folgt mit seinen simplen Werten, die lediglich aus Zucht und Ordnung bestehen, sowie der Schulmassaker-Angstprojektion, einem primitiven Disziplinierungsmodell, das aus Jugendlichen ausbeutungsfähige Marionetten macht. Vor diesem Hintergrund spielt sich das klassische Mystery-Drama ab, dessen Protagonisten unter anderem aus einem Latino, einem Schwarzen, einem Schwulen, einem Drogensüchtigen und eben der Hauptfigur David bestehen. Dabei reflektiert die klischeehaft erscheinende Auswahl der Figuren genau die Ängste der mit Vorurteilen indoktrinierten Gesellschaft. Ihr Wunsch nach pflegeleichten Zöglingen hallt in den Geistererscheinungen wieder, die David heimsuchen. Der tote Junge ist das wehklagende Echo eines gescheiterten Versuches, eine weitere Marionette zu erzeugen. Symbolisch fasst er durch seinen realen Tod den emotionalen Tod der Jugendlichen zusammen, welche die Besserungsanstalt durchlaufen. Mit den Disziplinierungsversuchen geht letztlich der gewaltsame Verlust der Jugend einher.

Einem gewaltigen Friedhof gleich türmen sich in einer Szene viele Fahrräder zu einem großen Berg auf. Sullivans Stärke ist es, den Fahrradberg ganz unspektakulär in das Tableau zu integrieren, ohne ihn besonders herauszustellen. So strahlt er eine stille Mächtigkeit aus, die mit gespenstischer Würde an die verglühten Seelen der Jugendlichen erinnert. Dass David innerhalb der Handlung zu eigener Stärke ohne Emotionsverlust gelangt, ist nicht Ausdruck einer Handlungskonvention, die dem kritischen Ansatz gegenüber der Besserungsanstalt widerspricht, sondern Ausdruck einer Handlungskonvention, die sich reibungslos in die eingeschlagene Dramaturgie integriert. Denn David entwickelt nicht dank, sondern trotz der Besserungsanstalt die Selbständigkeit, die ihn am Ende handeln lässt. Die Kette absurder Demütigungen, welche mit den Ausführungen des „Psychologen“ einen Höhepunkt erreicht, wenn Homosexualität als heilbare Krankheit deklarieren wird, führt bei David zu einer Kraft, die sich im Widerstand entlädt. Das kann aber nicht über diejenigen hinwegtäuschen, die am Wegesrand liegen bleiben, weil sie zerbrochen sind.

Bildqualität

Driftwood

Das blitzsaubere Bild der DVD fällt durch eine sehr gute Schärfe auf, die sowohl mit klaren Konturen als auch vielen Details zu gefallen weiss. Die kräftigen Farben unterstützen das Mystery-Drama in der Besserungsanstalt auf effektive Weise. Der gelungene Kontrast sorgt für ein plastisches Bild, bei dem auch in dunklen Szenen keine Details verloren gehen. Das minimale Hintergrundrauschen bleibt unauffällig, sonstige Rauschmuster existieren nicht.

Tonqualität

Es liegt in der Natur der Sache, dass sich ein ruhiger Film wie „Driftwood“ nicht durch einen bombastische auftrumpfenden Raumklang in Szene setzen kann. Dank einer stimmigen Integration der hinteren Lautsprecher in die subtile Geräuschkulisse aus Musik und atmosphärischen Klängen ist das Ergebnis der beiden 5.1-Spuren aber gut gelungen. Die Dialoge sind klar und verständlich, störendes Rauschen existiert nicht.

Extras

Auf dem ersten Audiokommentar sind Tim Sullivan (Drehbuch, Regie) und Chris Kobin (Drehbuch, Produktion) zu hören. Der engagierte Kommentar geht auf die verschiedenen Drehbuchfassungen ein, die in Bezug zu einigen finalen Filmszenen gesetzt werden, hält ein paar Anekdoten bereit, analysiert einzelnen szenische Gestaltungselemente, liefert Informationen zum Casting sowie den Darstellern und beschäftigt sich mit dem Drehort. Die Anstalt des Films ist eine reale Einrichtung, die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten leer stand und abgerissen werden sollte. Inzwischen wurde sie aber wieder in Betrieb genommen. Der Kommentar überzeugt durch seine vielfältigen Aspekte, die fundiert vorgetragen werden.

Der zweite Kommentar wird von Tim Sullivan (Drehbuch, Regie) und Diamond Dallas Page, auch DDP genannt, gesprochen. Darin geht es stärker um die Anlage der einzelnen Figuren, die anhand der schauspielerischen Leistungen erläutert werden. DDP äußert sich über seine Art, die Rolle des Captain Kennedy zu verkörpern. Der Kommentar ist eine sehr gute Ergänzung zu den Ausführungen Sullivans und Kobins.

„Inside the Walls of Driftwood“ (etwa 30 Minuten) ist ein Making Of mit Interviews, Filmausschnitten und ein wenig B-Roll-Material. Im Gegensatz zu den reinen Werbe-Making-Ofs haben die einzelnen Beteiligten wie Regisseur Tim Sullivan oder Darsteller Ricky Ullman aber etwas zu sagen, so dass die Setatmosphäre ebenso lebendig wird wie einige Hintergründe zur Produktion näher beleuchtet werden. Manches überschneidet sich zwar mit den Audiokommentaren, aber das ist das wenigste.

Die Deleted beziehungsweise Extended Scenes (etwa sieben Minuten) sind teilweise eine schöne Ergänzung zum Film, wenn beispielsweise einige Werbefilme für die Besserungsanstalt Driftwood zu sehen sind oder sich Captain Kennedy und seine Tochter etwas ernsthafter unterhalten. Wobei die zuletzt erwähnte Szene nur als für sich stehende kleine Begebenheit taugt, da sie in der Form die bizarre Beziehung zwischen Vater und Tochter, wie sie im fertigen Film zu Tage tritt, untergraben hätte.

Das „Alternative Ende“ (etwa drei Minuten) ist deutlich besser als es sich in der Erzählung des Audiokommentars anhört, da es sehr gut gefilmt worden ist. Tatsächlich könnte man es sich gut am Schluss vorstellen. Die Produzenten haben aber dafür gesorgt, dass der Film einfach früher, auf sehr effektive Weise endet.

„Casting“ (etwa fünfzehn Minuten) zeigt die einzelnen Darsteller des Films bei ihren Vorsprechen. Da das Ganze durch Regisseur Tim Sullivan kommentiert wird, indem er erläutert, warum die einzelnen Darsteller ihre Rollen bekommen haben, ist der Beitrag sehr gelungen. „Doing Time on the Set“ (etwa vier Minuten) beinhaltet ein paar wenig erhellende Interviewschnipsel vom Set, die dem Making Of nichts nennenswertes hinzufügen können. Es bleibt unklar, wofür der Beitrag gut ist. „Bloopers“ liefert zwei Minuten kleine Missgeschicke während der Dreharbeiten. Eine Bildergalerie sowie der Trailer runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

Mit „Driftwood“ hat Regisseur Tim Sullivan nach „2001 Maniacs“ einen deutlich weniger grellen Film in Szenen gesetzt, der stärker auf das innere Geschehen seiner Charaktere eingeht. Dabei verbindet er den „Horror“, den die Jugendlichen in der Besserungsanstalt erleben, mit einer übernatürlichen Geistergeschichte, die dem Drama um Jugendverlust und Ausbeutung eine zusätzliche klagende Dimension verleiht. Technisch ist die DVD sehr gut, das Bonusmaterial reichhaltig und insgesamt überzeugend.

Stefan Dabrock

30.11.2008

   
Originaltitel Driftwood (USA 2006)
Länge 86 Minuten (Pal)
Studio Sunfilm
Regie Tim Sullivan
Darsteller Ricky Ullman, Dallas Page, Talan Torriero, David Eigenberg, Lin Shaye, Baelyn Neff, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Audiokommentar mit Tim Sullivan (Drehbuch, Regie) und Chris Kobin (Drehbuch, Produktion), Making Of, Trailer, u.m.
Preis ca. 13 EUR
Bewertung sehr gut, technisch sehr gut