Theater-Tod

Aquarius

Hinweis: Der folgende Text ruft in keiner Weise zum Kauf von DVDs auf. Es handelt sich um eine filmjournalistische Analyse.

Das Genre des Slashers liebt die abgeschlossenen Orte, an denen sich eine Gruppe begrenzten Personals versammelt hat, das in der Mehrzahl den Mordwerkzeugen des Killers nicht entgehen wird. Insofern gleichen die finalen Szenerien des Slashers oftmals Theaterbühnen des Todes, deren Bretter eben nicht die Welt, sondern vergossenes Blut bedeuten. Michele Soavi nimmt sich in seinem 1987 gedrehten Slasher „Aquarius“ der theatral aufgeladenen Tragik des Genres an und verortet die Handlung konsequenterweise in einer Halle, die einem Theaterregisseur für seine Musicalproben dient. Nachdem eine der Schauspielerinnen wegen ihres verstauchten Knöchels die in der Nähe liegende psychiatrische Klinik aufgesucht hat, weil sie sich dort ärztliche Hilfe erhoffte, taucht in ihrem Schlepptau ein entflohener Klinikinsasse vor der Probenhalle auf. Der erste Mord lässt nicht lange auf sich warten, aber die eintreffende Polizei glaubt, dass der Mörder bereits wieder das Weite gesucht hat. Da sich der Regisseur durch das Mordszenario Werbung für sein Musical erhofft, lässt er seine Truppe in der Halle einschließen, um die Proben so schnell wie möglich zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Natürlich hat sich der Killer ebenfalls in das Bauwerk geflüchtet, so dass er die Musicaltruppe langsam aber sicher dezimiert.

Das Musicalprojekt des Regisseurs spielt bezeichnenderweise mit den beiden Trumpfkarten Sex und Tod, um an entsprechende Instinkte des anvisierten Publikums zu appellieren. Seine inszenatorischen Ideen beschränken sich letztlich auch auf eine simple Zurschaustellung gerade dieser beiden grellen Aspekte, so dass das Musical wie ein billiger Softcore-Slasher wirkt. Soavi reflektiert hier bereits über das Genre, das oftmals im Sinne einer sexuellen Konnotation interpretiert wurde. Während die absurd miese Konstruktion des Musicals als Genrewiederhall einen tragikomischen Aspekt in den Film hineinträgt, entwickelt sich das Geschehen auf zutiefst bittere Art und Weise, indem das Schmierenstück des Regisseurs, welches mit primitiven Mitteln den Reiz des Verruchten verheißen will, durch die wahrhaft grimmige Inszenierung des Killers ersetzt wird. Als stummer Regisseur des Todes dezimiert er seine unfreiwilligen Schauspieler, die sich unversehens mit der Möglichkeit befassen müssen, dass ihre eigene Existenz bald beendet sein könnte. Der Killer stellt der lächerlichen Pappmaché-Brutalität des Musicals, seine Theaterversion eines düsteren Stückes entgegen. Die Konfrontation mit der realen Bedrohung pumpt eine gehörige Portion bitterer Theatralik in das filmische Geschehen, da die Figuren nicht an gespielte, sondern unfreiwillig an echte Grenzen geraten.

Die Bühnendramaturgie des Slasher-Genres ist auf einmal nicht mehr nur metaphorisch präsent, sie ist ein ungefilterter Bestandteil der Handlung. Die Figuren in „Aquarius“ sind gleichzeitig Teil eines grausam-makabren Kampfes um das eigene Überleben wie sie aufgrund der theatralen Atmosphäre auch zu Darstellern einer bitteren Tragödie werden. So vereinen sie plötzlich das, woran der Regisseur des Musicals gescheitert ist. In ihnen spiegelt sich der reale Tod und die Künstlichkeit einer Inszenierung wieder. Sie sind echte Menschen, die überleben wollen, und Wiederhall einer Slasherdramaturgie. Die mit ihnen verbundenen Emotionen erfahren durch das intellektuelle Gerüst eine eindrucksvolle Überhöhung, die sich auch in Soavis Inszenierung wiederfindet. Mit eleganten Kamerabewegungen schreitet er den zur Verfügung stehenden Raum bildlich ab, um die Begrenzung mit qualvoller Intensität ins Licht zu rücken. Der Killer trägt im Finale eine groteske Eulenmaske, die ihn mit ihrer gesichtslosen Banalität noch erschreckender macht, als es viele, oft auch groteske Maskierungen des sonstigen Slasher-Genres bei ihren Killerfiguren vermögen. Der Kontrast aus realen Morden und der irrealen theaterhaften Erscheinung des Killers steigert die Angst in ungeahnte Höhen, da er im wahrsten Sinne des Wortes unfassbar, also nicht auf einfache Weise deutbar ist. Zwischen Schnürböden, atmosphärischer Ausleuchtung und Bühnenpräsenz spielt er sein Stück, dessen Ausgang offen ist.

Bildqualität

Das saubere Bild der DVD weist eine gute Schärfe auf, die sowohl klare Konturen abbildet als auch Details zu bieten hat. Nur selten wirkt das Bild ein bisschen weich. Die Farben sind kräftig, so dass sich die Atmosphäre des Films voll entfalten kann. Der Kontrast sorgt für ein plastisches Bild. Nennenswerte Rauschmuster treten nicht auf.

Tonqualität

Beide Tonspueren bieten klare und verständliche Dialoge ohne störendes Rauschen. Dank einer gelungenen Dynamik entfaltet sich die Musik mit entsprechendem Druck, so dass die Atmosphäre des Films unterstützt wird.

Extras

Das Bousmaterial besteht aus einer alternativen Szene, die einen der Morde in einer weniger expliziten Variante zeigt. Eine Bildergalerie und der Trailer runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

„Aquarius“ nutzt die theatrale Qualität des Slasher-Genres, um ihre emotionale Atmosphäre durch den Handlungsort eines Theaters zu reflektieren sowie zu steigern. Dadurch gelingt es ihm, den künstlerischen sowie den bitter-realen Aspekt ein und desselben Geschehens zeitgleich sichtbar zu machen.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Deliria (Italien 1987)
Länge 87 Minuten (Pal)
Studio cmv Laservision
Regie Michele Soavi
Darsteller David Brandon, Barbara Cupisti, Domenico Fiore, Robert Gligorov, Mickey Knox, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton DD 2.0 Deutsch, Englisch
Untertitel -
Extras Alternative Szene, Bildergalerie, Trailer
Preis -
Bewertung -