Schlachtplan mit Kamera

Carver

CarverVielleicht ist es Absicht, dass Schärfe nur selten ein Teil der optischen Qualität des vorliegenden Werkes ist, denn eine gewisse Ranzigkeit passt durchaus zu der Hinterwäldler-Killer-Handlung. Wahrscheinlicher ist aber, dass Regisseur Franklin Guerrero Jr. einfach nur eine schlechte Kamera und einen schwachen Kameramann zur Verfügung hatte. Denn das Bild ist deutlich matschig geworden. Darin tummeln sich die Brüder Pete und Bryan sowie deren Freunde Zack und Rachel. Die vier jungen Leute wollen ein vergnügliches Wochenende bei einem Campingausflug verleben. Der Wirt einer Kneipe, die sich in der Nähe des Ortes befindet, an dem die Ausflügler ihr Zelt aufgestellt haben, bietet den jungen Leuten einen Abend lang Freigetränke an, wenn sie für ihn ein paar Dinge aus einem im Wald gelegenen Haus holen. Bei der Aktion entdecken die frisch rekrutierten Helfer im Haus ein paar Filmrollen nebst Projektor. Um die Neugier zu befriedigen, wirft man einen Film an die Wand, der sich als brutales Mordspektakel entpuppt. Was die jungen Leute für einen billigen Amateurhorrorfilm halten, ist aber ein Snuff-Film mit echten Tötungsszenen. Die Camper sind schon längst im Visier des Mörders mit der Kamera.

Ein Film wie „Carver“, der seinen Tötungsszenen die Rohheit einer Metzgervorführung verpasst, kommt dieser Tage wenig überraschend in Deutschland nur geschnitten heraus. Das gilt sowohl für die FSK18-Fassung als auch die JK-geprüfte Leihversion des Films, die mit rund zwei Minuten etwas glimpflicher davon gekommen ist, als die um etwa dreieinhalb gekürzte Kaufversion. Da „Carver“ über die Gewalt hinaus kaum etwas bietet, stellt sich die Frage nach der anvisierten Zielgruppe der fertigen DVD. Das was die Fans sehen wollen, ist jedenfalls nicht mehr da, so dass auch der kleine Themenanflug, den sich das Werk leistet, nur noch auf theoretischer Ebene erörtert werden kann. Denn „Carver“ verpasst die Chance, aus dem Genre eine Qualität herauszudestillieren, die spannend gewesen wäre. Dadurch dass die Gruppe der späteren Mordopfer die Snuff-Filme findet, sie aber für Fiktion hält – nur einer ist skeptisch – schleicht sich eine wahrnehmungstheoretische Komponente an. Es geht um die Fähigkeit Fiktion und Dokumentation zu unterscheiden, die in diesem Fall sogar zu einer Frage über Carver Leben und Tod wird. Denn würden die jungen Leute erkennen, dass es sich nicht um Fiktion handelt, dann hätten sie die Möglichkeit, rechtzeitig zu fliehen. Gleichzeitig werden sie, die anfangs Zuschauer sind und damit auch den Filmzuschauer widerspiegeln, später unfreiwillige Protagonisten der Art Filme, die sie zuvor fälschlicherweise für Fiktion gehalten haben. Während sie im Finale folglich die Realität des Leidens durchleben, schwingt gleichzeitig die Möglichkeit mit, dass sie von einer neuen Gruppe Camper wieder nur für Darsteller in einem Horrorfilm gehalten werden.

Reales Leid und die Lust des Zuschauers fließen auf perfide Weise zusammen, ohne das „Carver“ eine Gleichsetzung vornehmen würde, denn die Zuschauer glauben ja nicht, dass sie etwas Reales sehen. Die durchaus faszinierende Thematik wird aber von zwei Seiten torpediert. Regisseur Franklin Guerrero Jr. lässt den offensichtlichen Grundansatz weitgehend links liegen. Es reicht nicht aus, einen aus der Gruppe alle zehn Minuten einen skeptischen Satz darüber sagen zu lassen, ob der Film eventuell doch echte Morde zeigen könnte. Stattdessen setzt der Regisseur auf überflüssige Konflikte, wenn sich einer der Camper in der Kneipe mit einem Einheimischen anlegt. Dramaturgisch dient die Szene nur dazu, die Figur vom Rest der Gruppe zu isolieren. Der Konflikt Besucher-Einheimische spielt für das Geschehen keine Rolle, da der Mörder nicht für den Landstrich, sondern nur für sich selbst steht. Auch das finale Mordgeschehen stellt die Verknüpfung zu der Snuff-Film-Realität-Fiktion-Fragestellung kaum her. Nur kurz ist die Kamera des Mörders zu sehen. Die Inszenierung arbeitet nicht mit Tatsache, dass hier Snuff-Filme entstehen. Es wird vielmehr nur auf die Rohheit der Tötungen wert gelegt, die letztlich unreflektiert ausgestellt werden, so dass die zuvor angedeutete Thematik nicht mehr zum Vorschein kommt. Es fehlt der Bezug zu der Szene, in der sich die Gruppe den zufällig gefundenen Film ansieht. Der andere Angriff erfolgt durch die Schnittauflagen. Wenn das, was den Schauwert des Werkes ausmacht, nicht mehr vorhanden ist, dann ist natürlich auch die Reflexion über die Lust am Schauen und das später erfahrene Leid nicht mehr vorhanden. Im vorliegenden Fall ist das inhaltlich gesehen nicht weiter schlimm, da das Werk ohnehin missglückt ist, verweist aber auf die grundsätzliche Problematik bei Schnittauflagen.

Bildqualität

CarverDas Bild sieht zwar unglaublich matschig aus, so dass die Konturen weich erscheinen und kaum Details zu sehen sind, das liegt aber nicht an der DVD, sondern am Ausgangsmaterial. Die wenig intensiven Farben entsprechen vor dem Hintergrund mit großer Wahrscheinlichkeit auch der ursprünglichen Qualität. Der Kontrast ist ein wenig flau. Bei Bewegungen kommt es teilweise zu ruckelnden Abläufen, ein Grundrauschen ist zumeist präsent.

Tonqualität

Der englische 5.1-Ton fällt mit einer stark schwankenden Lautstärke bei den Dialogen schwach aus. Bei der deutschen Synchronisation tritt das nicht im gleichen Maße zu Tage. Räumliche Effekte sind kaum zu hören, die Musik nutzt zeitweise die hinteren Lautsprecher.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus drei entfernten Szenen, von denen vor allem die Toilettensäuberungsaktion einer Figur in Erinnerung bleibt, und einer Bildergalerie.

Fazit

„Carver“, der in Deutschland nur geschnitten erscheint, kommt trotz eines angedeuteten, intelligenten Ansatzes, der mit Realität und Fiktion spielt, nicht über den Status einer Mordausstellung hinaus. Regisseur Franklin Guerrero Jr. fährt den günstig produzierten Film leider vor die Wand. Technisch ist die DVD aufgrund des schlechten Ausgangsmaterials schwach.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Carver (USA 2008)
Länge 96 Minuten (Pal)
Studio Anolis
Regie Franklin Guerrero Jr.
Darsteller Matt Carmody, Neil Kubath, Erik Fones, Kristyn Green, Natasha Malinsky, David G. Holland, Jonathan Rockett, u.a.
Format 1:1,78 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Deleted Scenes, Bildergalerie
Preis ca. 13 EUR
Bewertung schwach, technisch aufgrund des schlechten Ausgangsmaterials schwach