Das offene Messer des dunklen Geheimnisses

The Chair

The ChairMit dem zweiten Teil der „Ginger-Snaps“-Trilogie hatte Regisseur Brett Sullivan 2004 ein ebenso charakterlich wie spannungstechnisch ausgefeiltes Horrormärchen in Szene gesetzt. Nun legt er einen sehr lose auf Edgar Allen Poe beruhenden Grusler hin, der sich hauptsächlich beim Haunted-House-Genre bedient. Die junge Studentin Danielle will ihr Leben neu ordnen und zieht in ein altes Stadthaus ein. Schon recht bald bemerkt sie seltsame Dinge, die in dem alten Gemäuer vor sich gehen. Gegenstände ändern von alleine ihre Position oder bauen sich kurzzeitig zu interessanten Pyramiden auf. Während des Schlafs wacht Danielle auf, weil sie das Gefühl hat, etwas befinde sich im Raum. Ihre Experimente mit einer laufenden Videokamera, die auf ihr Bett gerichtet ist, bringen nur vage Hinweise auf das, was vor sich geht. Danielles Schwester Anna muss mit ansehen, wie Danielle zunehmend in eine Welt jenseits des Realität abdriftet. Die Recherchen über die historischen Ereignisse in dem Stadthaus sorgen bei Annas Schwester auch nicht für eine Rückkehr zur Normalität, sondern haben eher den Effekt eines Katalysators. Jetzt ist sie offen für die dunklen Mächte.

Alanna Chisholm verkörpert Danielle mit ausreichender Präsenz, um die langsame, aber stetige Veränderung ihrer Persönlichkeit bis hin zur Bedrohung für andere Menschen nachvollziehbar zu machen. Die dramaturgischen Möglichkeiten über die scheinbare Lösung der gefährlichen Situation durch Nachforschungen zu den historischen Ereignissen, welche aber einen eher verstärkenden Charakter gewinnen, werden auf klassische Weise genutzt. Der formal anfangs grundsätzlich funktionierende Spannungsaufbau erfährt jedoch auf der Ebene der Figurenzeichnung keine adäquate Unterstützung. Die junge Danielle befindet sich in einer Phase der Neuorientierung, dazu zählt auch die Loslösung von ihrem Ex-Freund. Der darin zum Ausdruck kommende emotionale Konflikt wird aber nur für ein oberflächliches Opfer The Chair verwendet, weil Sullivan viel zu stark damit beschäftigt ist, die Hintergrundgeschichte um ein bizarres Experiment aufzufächern. Er gönnt Danielle gar keine inneren Verwerfungen, weil sie nur mit technischen Aspekten wie Videokamera und Internet beschäftigt ist. Viel zu bereitwillig läuft sie in das offene Messer des dunklen Geheimnisses, so dass ihre Vereinnahmung durch die Kräfte, die in keinem Zusammenhang zu den sonstigen Figuren des Films stehen, eine Abtrennung ihrer Existenz vom restlichen Geschehen bewirkt. Nur für oberflächliche Bedrohungsszenarien tritt Danielle mit der Außenwelt in Kontakt.

Die Schwächen des Drehbuchs manifestieren sich gegen Ende des Films in besonders auffälliger Weise. Danielles Professor verbindet eigentlich Vergangenheit und Gegenwart. Anstatt dieses Potential für eine starke emotionale Verknüpfung der Ebenen zu nutzen, wird es als Überraschung in einem hektischen Finale verheizt, das nicht einmal wirkliche Spannung besitzt, weil Danielle und die handelnden Gegenspieler bezeichnenderweise räumlich voneinander getrennt agieren. Besser kann Brett Sullivan die misslungene Verknüpfung der verschiedenen Handlungsaspekte gar nicht ausdrücken. Die visuelle Gestaltung des Werkes leidet zudem unter der Video-Optik, welche mit matschigen, detailarmen Szenarien jegliche Versuche, atmosphärische Qualitäten zu entwickeln, unterwandert.

Bildqualität

Das saubere Bild der DVD besitzt eine mäßige Schärfe, die hauptsächlich aber auf das Ausgangsmaterial zurückzuführen sein dürfte. Je kleiner die Betrachtungsfläche, desto besser sieht der Film trotz mangelnder Konturenzeichnung und fehlender Detailfreudigkeit aus. Die Farben sind relativ kräftig geraten. Der Kontrast könnte etwas mehr Prägnanz vertragen, sorgt aber für eine ordentliche Plastizität des Bildes. Störende Rauschmuster treten kaum in Erscheinung.

Tonqualität

Die 5.1-Spuren können ihr Potential nicht entfalten, da es an einer subtilen Abmischung mangelt, die auch kleinere Effekte auf die hinteren Lautsprecher verteilt. Die Dialoge sind klar und verständlich, die Musik nutzt ihre Möglichkeiten auf angenehm solide Weise, so dass darüber auch die hinteren Lautsprecher zum Einsatz kommen.

Extras

Der Audiokommentar von Brett Sullivan (Regie), Michael Capellupo The Chair(Drehbuch) und Douglas Patterson (Produktion) geht auf den Drehort, die Darstellerinnen, Schnitt, Kameratechnik und Machart ein, so dass er viele Fragen beantwortet und gelungen ausfällt. Behind the Scenes (etwa 17 Minuten) zeigt Aufnahmen der Proben, die den realen Filmszenen gegenübergestellt werden, und präsentiert die Hintergründe einiger „Tricks“ des Films, indem Kameraposition sowie vielfältige Aktionen hinter der Kamera offen gelegt werden. Dankd der guten Zusammenstellung auch ohne Kommentar ein lohnenswerter Beitrag. Hinter „M Zymytryk kommt zurück“ (etwa drei Minuten) verbirgt sich im Vollbildformat der historische Film, den Danielle auf einer Internetseite ansieht. Der Trailer rundet das Bonusmaterial ab.

Fazit

„The Chair“ scheitert an einer fehlenden emotionalen Durchtränkung der Geschehnisse, da Regisseur Brett Sullivan nur damit beschäftigt ist, die Mechanik des Abdriftens seiner Hauptfigur zu befeuern. Technisch ist die DVD mittelprächtig.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel The Chair (Kanada 2007)
Länge 84 Minuten (Pal)
Studio I-on new media
Regie Brett Sullivan
Darsteller Alanna Chisholm, Lauren Roy, Nick Abraham, Paul Soren, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Audiokommentar mit Brett Sullivan (Regie), Michael Capellupo (Drehbuch) und Douglas Patterson (Produktion), Behind the scenes, u.m.
Preis ca. 16 EUR
Bewertung misslungen, technisch mittelprächtig