Betsy, die Schrotflinte

Domino

Entfernt den Ärmel an seinem rechten Arm und sucht nach der Zahlenkombination innerhalb einer Tätowierung, gibt der Auftraggeber der Kofgeldjäger-Truppe sinngemäß per Telefon durch. Die Kombination gehört zu einem Safe mit 10 Millionen Dollar. Da die Kopfgeldjäger gerade in ein Funkloch hineinfahren kommen nur noch abgehackte Sprachfetzen an, so dass die Nachricht scheinbar lautet: "Entfernt seinen rechten Arm". Das Missverständnis wird konsequent umgesetzt. Auch Tony Scotts "Domino" ist anfällig für solche Missverständnisse, denn seine filmische Ästhetik der rasanten Stakkato-Schnitte präsentiert ihrerseits nur noch Kinofetzen, die als fernes Echo einer wahren Geschichte erklingen. Seine Hauptfigur Domino Harvey existierte als reale Kopfgeldjägerin. Die Tochter des Schauspielers Laurence Harvey und des Models Pauline Stone wuchs in elitären Verhältnisse auf, die ihr nicht passten. Die Rebellion gegen die Beverly-Hills-Gesellschaft führte zu einem Waffenfaible und schließlich in das Geschäft der Kopfgeldjägerin. Soweit die Eckdaten aus Domino Harveys Biographie, die sich auch in Tony Scotts Film wieder finden. Der Rest entpuppt sich als wüste, überdimensionale Erzählung um die Arbeit der Kopfgeldjäger, eine Raubgeschichte mit 10 Millionen Dollar Beute, in die die Mafia sowie ein Kasino-Mogul aus Las Vegas verwickelt sind, und ein Reality-TV-Team, das die Kopfgeldjäger begleitet. Domino selbst findet in ihren Kollegen eine Art Familie. Vor allem der Boss Ed Mosbey, ein Ex-Krimineller, füllt die Rolle eines Ersatzvaters aus.
Tony Scotts Film folgt keiner linearen Struktur. Mit selbstbewusster Lässigkeit erzählt die Montage das Geschehen nach dem Prinzip des besten Effektes. Überraschende Sprünge gehören ebenso zum guten Ton, wie Scott das komplette Arsenal des coolen Actionkinos in den Ring wirft, das seit der Entdeckung clipartiger Strukturen für den Spielfilm gerne verwendet wird. Jede Einstellung leuchtet mit filterbearbeiteten extremen Farben und harten Kontrasten, Reissschwenks sowie Schnitte in und aus der Bewegung heraus prasseln auf den Zuschauer ein. "Domino" ist purer Stil, cool, sexy und mit großen Waffen. Selbst Oliver Stone hat sich in seiner wildesten Zeit nicht getraut, einen Film zu drehen, der keine Anstalten macht, seinen Stil mit einem fassbaren Inhalt zu füllen. Die Raubgeschichte um die 10 Millionen Dollar hat keine besondere Bedeutung, da die Kopfgeldjägertruppe nur unglücklich in sie hinein stolpert und ihr einziger Zweck ist, ein fulminantes Finale zu präsentieren. Den Figuren nähert sich Scott mit ihr kaum. Alle biographischen Elemente bleiben Fragment, die Drogenproblematik fehlt ganz. Dafür wirkt "Domino" selbst wie eine zweistündige Rauschphantasmagorie, die stets auf Messers Schneide balanciert. Keinem der gezeigten Bilder kann man in seiner Überinszenierung vertrauen. Das Beharren auf dem puren Stil macht aus "Domino" die perfekte Projektionsfläche, die alles oder auch nichts bedeutet. Der Film ist ein fernes Echo, das zu Missverständnissen einlädt. Aber in diesem Echo finden sich Spuren von mythischer Überhöhung, Wunsch und Wirklichkeit, Verzweiflung, Hass und Trauer. Der Coolness der Bilder kann man nicht trauen, eine Alternative bietet Scott nicht an, so dass es am Zuschauer liegt, dem Film einen Inhalt zu geben.

Bildqualität

Das blitzsaubere Bild wurde mit sehr guter Schärfe auf die DVD übertragen. Details und Konturen erscheinen so wie man es sich wünscht. Die Farbwiedergabe ist exzellent, so dass der extreme visuelle Stil ohne Abstriche auf dem Bildschirm zu sehen ist. Harte Kontraste und Farbfiltereinsatz gehören zum Arsenal des Kameramanns und stellen keine Schwäche der DVD dar. Nur Blockrauschen in homogenen Flächen sorgt für Abstriche. Insgesamt aber ein sehr guter Transfer.

Tonqualität

Die 5.1-Spuren sorgen in den Actionszenen, vor allem im Finale, für eine ansprechende räumliche Kulisse, ohne ganz in die Spitze des Möglichen vorzudringen. Auch sonst tauchen immer wieder Nebengeräusche in den hinteren Boxen auf, aber vor allem die üppige Musik ist mit viel Dynamik für das Raumgefühl verantwortlich. Die Dialoge sind klar und verständlich abgemischt.

Extras

Beim Bonusmaterial vermisst man schmerzlich den Audiokommentar von Regisseur Tony Scott und Drehbuchautor Richard Kelly, auch die geschnittenen Szenen der amerikanischen DVD wurden eingespart. Der Geiz ist mal wieder König.
Der etwa 20minütige Beitrag "Domino Harveys Leben" liefert einige interessante Aspekte aus dem Leben der echten Domino Harvey. Unter anderem kommt auch der reale Kopfgeldjägerkollege Choco zu Wort, welcher aus der Vergangenheit plaudert. Seltsamerweise bleibt der Tod Domino Harveys aber auch hier eher mysteriös, da nur von einem Herzinfarkt die Rede ist. Laut Quellenlage starb sie an einer Überdosis Schmerzmittel (unter anderem auf der Filmseite zu "Domino" in der imdb nachlesbar). Möglicherweise war die Todesursache zum Zeitpunkt der Interviews noch nicht bekannt. Auch die Drogenproblematik bleibt in der kurzen Dokumentation weitgehend ausgeblendet.
Aus den acht Interviews stechen Keira Knightleys Aussagen, die ihre Rolleninterpretation erläutert sowie etwas zur echten Domino Harvey sagt, und das Gespräch mit Edgar Ramirez heraus, der ebenfalls aus seinen Erfahrungen mit Domino Harvey berichtet. Alle anderen Interviews (Christopher Walken, Jacqueline Bisset, Delroy Lindo, Tony Scott und Samuel Hadida) sind ohne besonderen Wert.
Der sechsminütige "Blick hinter die Kulissen" besteht aus B-Roll-Material.
Textafelbiographien runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

"Domino" ist rasanter Stil und reine Projektionsfläche, aus der sich der Zuschauer seine eigene Geschichte und Interpretation zusammen bauen muss. Technisch ist die DVD gut bis sehr gut.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Domino (USA 2005)
Länge 122 Minuten (Pal)
Studio Constantin im Vertrieb der Highlight
Regie Tony Scott
Darsteller Keira Knightley, Mickey Rourke, Edgar Ramirez, Christopher Walken, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DTS Deutsch; DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch für Hörgeschädigte
Extras Domino Harveys Leben, Interviews, Trailer, u.m.
Preis ca. 18 EUR
Bewertung gut