Neulich im Bio-Bunker

Die Eisbombe

Die EisbombeAuf der Jagd nach dem gesündesten Lebensmittel, das am wenigsten belastet ist, kann schon mal der Wahn das Regiment übernehmen. Bei der biederen Familie Schuhmann-Weil ist das seit einiger Zeit der Fall. Das Essen wird nach den neusten Erkenntnissen eingekauft. Da kann es dann auch passieren, dass der gesamte Inhalt des Gefrierschranks im Müllbeutel verschwindet, weil in einem aktuellen Artikel zu lesen war, dass Tiefkühlkost belastet ist. Während der Familienvater das extreme Treiben seiner Frau mit stoischem Gleichmut mitträgt, hat die mütterliche Beschützer-Paranoia auf den ältesten Sohn Tom eine verheerende Wirkung ausgeübt. Als neurotischer sowie verklemmter junger Mann muss er sich nun durchs Leben schlagen. Für seinen kleinen Bruder Günter wirkt das ganze Gesundheitsgehabe wie ein Spiel, so dass er noch keinen Schaden genommen hat. Durch den Einschlag eines riesigen Eisklotzes ins Dach der Schuhmann-Weil'schen Behausung, kommt Bewegung in die festgefahrenen Verhaltensmuster. Als Mutter Schuhmann-Weil den Umzug in den alten Bunker im Garten befiehlt, weil sie eine gesundheitsgefährdende Wirkung des Eises befürchtet, rebelliert Tom und zieht lieber in ein Zimmer im Wohnheim des Krankenhauses um, in dem er als Zivi arbeitet. Kampflos will seine Mutter das aber nicht hinnehmen.

Eine lakonische Wahrheit lautet, dass das Leben am Ende tödlich ist. Sie eignet sich hervorragend als Kommentar auf Leute, die mit fundamentalistischem Eifer ihr Leben soweit auf gesundheitsschädliche Einflüsse abklopfen, dass jeglicher Genuss verschwunden ist. Der daraus entstehende Mangel kann dann wieder zu Gesundheitsschäden führen. Regisseur Oliver Jahn portraitiert das Dank seines guten Hauptdarstellers Eike Weinreich in der Rolle des Tom Schuhmann-Weil mit präziser Handschrift. Weinreich gibt seine Figur nie der Lächerlichkeit preis, indem er auch die absurdesten, neurotischen Verhaltensweise ohne ironische Brechung verkörpert. Wenn er ein Kinderlied singend mit Die Eisbombeseltsamen Verrenkungen von Schutzdach zu Schutzdach über den Krankenhausparkplatz rennt, weil er eine Regenphobie hat, die bereits aus reiner Sorge vor vielleicht auftretendem Niederschlag durchbricht, dann stellt sich nicht das Gefühl ein, dass hier ein Mensch eine Show abzieht. So lächerlich das Verhalten aus der Ferne betrachtet auch sein mag, so sehr wird es in Weinreichs ernster Darstellung zum Resultat eines psychischen Traumas, das für die Figur einnimmt.

Jahn begnügt sich in seinem Film aber nicht mit der Betrachtung des familiären Ökoterrors und seiner Folgen, weil ihm die Mutter zu eindimensional fundamentalistisch geraten ist, als dass der alleinige innerfamiliäre Konflikt sowie die Ernährungssatire den Film tragen könnte. Deswegen führt er noch eine Schauspielschülerin sowie deren Tante ein. Tom verliebt sich in die Nichte und findet in der Tante eine Art Ersatzmutter, die ihm das Gefühl gibt, normal zu sein. Plötzlich wird aus dem Film zunehmend eine Geschichte über das Erwachsenwerden inklusive erster Liebe mit Konflikten. Sie überlagert die bis dahin präsente Groteske, die nur noch als Randerscheinung in ein paar Auftritten der Mutter sowie einem Fernsehteam zu Geltung kommt, das die Schwierigkeiten der Schuhmann-Weils mit ihrer Versicherung dokumentiert. Die Annäherung der beiden jungen Leute, die vor allem für Tom ein echter Neubeginn ist, funktioniert zwar auf der menschlichen Ebene, bietet aber nur die übliche Dramatik solcher Geschichten. Aus einem spannenden Anfang wird so ein netter, gut konsumierbarer Mittelteil und Schluss.

Richtig ärgerlich ist allerdings Jahns Umgang mit der Mutter, der er zu einem Zeitpunkt, als das grundsätzliche Drama des Films bereits gelöst ist, eine ausgesprochen drastische Behandlung zu Teil werden lässt, die nur noch als sadistischer Zynismus bezeichnet werden kann. Angesichts des sehr zurückhaltenden Tons des Films, der die Groteske nie in grelle Bilder übersetzt, ist das absolut unwürdig.

Bildqualität

Die EisbombeDie Bildqualität der DVD liegt auf erwartungsgemäß solidem Niveau. Konturen und Details erreichen sehr ordentliche Werte, so dass das Bild zumeist nur leicht oder gar nicht weich wirkt. Die Farben sehen sehr natürlich aus und verleihen den städtischen Orten ein normales aussehen mit Wiedererkennungswert. Der Kontrast sorgt für ein plastisches Bild. Bewegungen ruckeln leider ein wenig. Störende Rauschmuster spielen sich nicht in den Vordergrund.

Tonqualität

Der Ton ist zwar auch in einer 5.1-Variante auf der DVD enthalten, sie entfaltet aber erwartungsgemäß kaum räumliche Qualitäten. Die Dialoge sind klar und verständlich störendes Rauschen gibt es nicht. Auch die Musik nutzt die hinteren Lautsprecher kaum, so dass gegenüber dem 2.0-Ton keine nennenswerten Vorteile entstehen.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus dem Trailer.

Fazit

„Die Eisbombe“ persifliert über weite Stecken auf recht amüsante Weise fundamentalistischen Öko-Wahn, gleitet aber zunehmend in eine gewöhnliche Geschichte über das Erwachsen werden ab und weiß mit der zentralen Figur der fanatischen Mutter schließlich nichts mehr anzufangen, so dass die Satire auf halber Strecke abbricht. Technisch ist die DVD sehr ordentlich.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Die Eisbombe (BRD 2008)
Länge 94 Minuten (Pal)
Studio Neue Visionen
Regie Oliver Jahn
Darsteller Eike Weinreich, Karoline Eichhorn, Heike Jonca, Peer Martiny, Katharina Schüttle, Leon Wessels, Uli Krohm, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, DD 2.0 Deutsch
Untertitel Englisch
Extras Trailer
Preis ca. 18 EUR
Bewertung nett, technisch sehr ordentlich