Morgen, Biker, wird’s was geben!

Exit Speed

Exit SpeedEs ist nicht immer angenehm, sich mit dem Genre des B-Action-Kinos zu beschäftigen, weil die Qualität oft zu wünschen übrig lässt. Umso erfreulicher ist es, wenn ein Werk wie „Exit Speed“ daherkommt, dessen Cover in jedem Fall so abschreckend ist, wie man es bei einem B-Action-Film erwartet. Im Gegensatz zum schwachen Durchschnitt des Genres gelingt es Scott Ziehl in diesem Fall, die Zuspitzung auf einfache, bis zur Karikatur überdehnte Figuren sowie Handlungssituationen erfolgreich zusammenzufügen.

Alles beginnt Weihnachten – ein Datum, das spätestens seit „Stirb Langsam“ („Die Hard“, Regie: John McTiernan, USA 1987) ideal zu brachialer Action passt. Die unterschiedlichsten Personen besteigen nachmittags einen Überlandbus nach El Paso. Unter Ihnen befindet sich eine Deserteurin der US-Armee, der ein zäher Militärfahnder auf den Fersen ist, eine straßenmilieuerfahrene Afroamerikanerin mit ihrem hasenfüßigen, natürlich weißen Freund, eine Bogenschützin auf dem Weg zu einem Realfantasy-Duell, ein mexikanischer Arbeiter mit Erfindungsgeist, eine Mutter auf dem Weg zu Ihren Töchtern und ein Vater, der seinen Sohn zum ersten Mal besuchen möchte, da er die inzwischen verheiratete Mutter noch vor der Geburt des Kindes verlassen hatte. Als der Busfahrer bei einem Ausweichmanöver einen der fies aussehenden Biker überfährt, die den Bus zum Spaß drangsaliert haben, nimmt das Unheil seinen Lauf, denn die Biker sehen nicht nur fies aus. Sie wollen Blut sehen. Auf der Flucht vor ihnen gelangen die Buspassagiere zu einem verlassenen Schrottplatz, auf dem sie sich vor den brutalen Verfolgern verbarrikadieren. Die belassen es zunächst bei einer Belagerung und schicken einen der Ihren los, um Verstärkung zu holen. Bevor die eintrifft, müssen sich die Eingeschlossenen aus der misslichen Lage befreien, da sie sonst keine Chance haben, zu überleben.

Ziehls Actionfilm besteht aus einer ausgesprochen einfachen, archaischen Duellsituation. Die mit guten sowie schlechten Eigenschaften ausgestatteten, letztlich aber gesellschaftskonformen Buspassagiere sehen sich der tödlichen Bedrohung durch eine marodierende, sich selbst ausserhalb der Gesellschaft stellende Bikerbande ausgesetzt, deren Exit Speed Mitglieder konsequenterweise auch nicht sprechen. Dabei bleibt offen, ob sie zu der kulturellen Leistung der Kommunikation mit Worten nicht fähig sind, oder ob sie einfach keinen Wert auf solche Ausdrucksformen legen. Das Szenario aus vergleichsweise biederen Bürgern gegen böse Biker hat dann auch Einzelne veranlasst, dem Film eine reaktionäre Grundhaltung vorzuwerfen. Dabei wird jedoch übersehen, dass „Exit Speed“ den archaischen Kampf ums Überleben in den Vordergrund stellt, der per se noch nicht reaktionär ist, sondern auf die Ursprünge menschlicher Existenz verweist, bevor die Zivilisation eine alternative Form des Zusammenlebens entwickelte. Die Biker, die explizit keiner bekannten Gruppierung angehören, so dass sie keineswegs als Synonym für eine skeptische Haltung gegenüber jeglichen Bikern herhalten können, symbolisieren den Einbruch des Rohen in die Welt der Zivilisation.

Der verlassene Schrottplatz wird zum Ort des Showdowns zwischen den auf Macht und Gewalt ausgerichteten Belagerern sowie den Repräsentanten der Zivilisation, die zwar auf das primitive Mittel der Gewalt zurückgreifen müssen, um sich zu wehren, aber ihre Stärke nur in der Zusammenarbeit ausschöpfen können. Das unterscheidet sie trotz erheblicher Gewaltanwendung von den Bikern. Dabei begleitet Ziehl die Transformation der Buspassagiere zu Kämpfern mit bissiger Ironie, wenn eine Veganerin ihre tödliche Pfeile, mit denen sie einige Biker niederstreckt, vor sich selbst rechtfertigt, indem sie ihre Gegner als Tiere bezeichnet. Ziehls Lust an der Groteske sorgt für eine humorvolle Note, die der karikaturartigen Ausgestaltung der Figuren gerecht wird. Passend dazu besitzt die Gewalt einen spontan-graphischen Charakter, der aus einem grimmigen Comic entsprungen zu sein scheint. Die Überzeichnung auf verschiedenen Ebenen gehört zum Stil Ziehls, der ein gutes Händchen für seine Bedrohungssituation sowie die dazugehörige Action besitzt. Gleich zu Beginn des Films überzeugt „Exit Speed“ mit der rasanten Verfolgungsjagd zwischen Bikes und Bus, um später Schießereien sowie den Einsatz vom Pfeil und Bogen, Macheten und per selbstgebauter Kanone abgeschossene Molotowcocktails ins rechte Licht zu rücken. So ist „Exit Speed“ ein B-Actionfilm wie er sein soll.

Bildqualität

Exit SpeedDas saubere Bild der DVD besitzt eine gute Schärfe, die sowohl klare Konturen als auch einen ansprechenden Detailreichtum besitzt. Die kräftigen Farben überzeugen ebenso wie der Kontrast eine gute Figur macht. Dank seines ausgewogenen Charakters kommen auch die vielen Nachtszenen gut zur Geltung, ohne dass Details verschluckt werden. Nennenswerte Rauschmuster treten nicht in Erscheinung.

Tonqualität

Die 5.1-Tonspuren besitzen nicht nur klare und verständliche Dialoge, sie verfügen auch über eine gute räumliche Abmischung, die sich in den Actionszenen positiv bemerkbar macht. Gleich zu Beginn werden bei der Verfolgungsjagd auch die hinteren Lautsprecher genutzt, um die vorbei rauschenden Motorräder akustisch in Szene zu setzen. Das setzt sich auch bei den übrigen Actionszenen fort, wenn diverse Schüsse im ganzen Raum verteilt einschlagen.

Extras

Hinter „Patata Bum“ (vier Minuten), „Nomaden“ (etwa 1 Minute und 30 Sekunden) sowie „Produktionsdesign“ (etwa 4 Minuten und 30 Sekunden) verbergen sich B-Roll-Beiträge mit Interviewschnipseln, wovon nur „Produktionsdesign“ einen kleinen Wert besitzt, weil der Produktionsdesigner darin etwas über die Entstehung des Schrottplatzsets zum besten gibt. In den beiden anderen Beiträgen wird entweder nur der Filminhalt wiedergegeben oder aber es sind harmlose Aufnahmen vom Dreh zu sehen. Das „Produktionstagebuch“ (etwa 35 Minuten) folgt den Dreharbeiten in chronologischer Reihenfolge und ordnet mit Hilfe eines Oberkommentars die B-Roll-Szenen ein, so dass ein lohnenswerter Film entstanden ist. Eine Bildergalerie, der Trailer sowie ein Teaser beschließen das Bonusmaterial.

Fazit

„Exit Speed“ setzt seine archaische Duellsituation zwischen bösen Bikern und harmlosen Buspassagieren mit kompakter Action in Szene, die den Film zu einem gelungen B-Genre-Film macht. Technisch ist die DVD gut.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Exit Speed (USA 2008)
Länge 87 Minuten (PAL)
Studio Anolis Film
Regie Scott Ziehl
Darsteller Desmond Harrington, Lea Thompson, Julie Mond, Alice Greczyn, Fred Ward, Gregory Jbara, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Produktionstagebuch, Trailer, u.m.
Preis ca. 16 EUR
Bewertung gut, technisch sehr gut