Im Zentrum der Bilder

House - Hausu

Filme wie „House“ verleiten dazu, bei der beschreibenden sowie interpretierenden Wortwahl auf Superlative zurückzugreifen, weil das die ungewöhnliche Bilderwelt des Films nahe legt. Aber auch die größte Wortgewalt kann Nobuhiko Obayashis absurden Horrorfilm „House“ nicht einfangen. Es bleibt den Bildern vorbehalten, ihre Wirkung zu entfalten, so dass „House“ ein lupenreiner Vertreter seines Mediums ist. Nobuhiko Obayashis Werk ist aufgrund des intensiven Einsatzes visueller Stilmittel nur als Film möglich, er kann in keine andere Kunstform übersetzt werden. Die Geschichte beginnt mit sieben Schülerinnen, welche in den Sommerferien einen Ausflug aufs Land machen. Dort besuchen sie die Tante eines der Mädchen, welche in der Provinz ein opulentes Haus bewohnt. Die ausgelassene Stimmung in ländlicher Ruhe erhält erste Risse, als eine Schülerin verschwindet. Zunächst denken sich die anderen nichts dabei, aber schließlich häufen sich die merkwürdigen Ereignisse. Der Flügel im Wohnzimmer scheint ein Eigenleben zu entwickeln und die Tante wirkt zumindest auf den Zuschauer etwas seltsam entrückt. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, handelt es sich bei ihr doch um die Inkarnation des bösen Geistes, der das Haus in Besitz genommen hat. Die Schülerinnen sind in größerer Gefahr, als sie denken.

Obwohl sich die Handlung, so wie sie als Gerüst mit Worten nacherzählbar ist, am klassischen Geisterhaushorrorfilm orientiert, besitzt „House“ kaum Spannungselemente. Das liegt am exzessiven Einsatz unterschiedlicher visueller Erzähltechniken, die den Betrachter nicht nur ins Zentrum der Bilder saugen, sondern auch die Erzählung immer wieder brechen. Viele Hintergrundlandschaften sind eindeutig als gemalte Bilder erkennbar, die Umgebung des Hauses kann ihre Studioatmosphäre nicht verleugnen, die Split-Screen-Technik kommt ebenso zum Einsatz wie Stop-Motion und Farbfilter für Verfremdungen. Ein tanzendes Skelett sorgt in gleicher Weise für humorvolle Einschübe, wie die Inszenierung stets das Klischee im Blick behaltend vor Ironie strotzt. Bevor die sieben Schülerinnen das Haus der Tante erreichen, stoppen sie an einem Melonenstand, dessen skurriler Besitzer dank aberwitziger Überzeichnung all diejenigen wunderlichen Charaktere reflektiert, welche seit der Erfindung des Genres als Warnung für die Hauptfiguren dienen. Die konsequente Überzeichnung auf allen Ebenen verbindet sich mit dem visuellen Stil zu einer ständigen Reflexion der erzählerischen Absicht, die nicht mehr mit den Bildern transportiert wird, sondern aufgrund der Überinszenierung selbst Thema der Bilder ist. Die Qualität des Films liegt folglich nicht in einer perfekten Beherrschung der Mechanismen des Erzählkinos, die ihre Wirkung mit voller Wucht entfalten können, sondern in der Auslotung dessen, wie ein einzelnes Bild Teil einer Dramaturgie ist. „House“ legt offen, was jedes einzelne Bild erzählt. Ob der Film auf diese Weise noch eine funktionierende zusammenhängende Geschichte präsentiert, liegt im Auge des Betrachters. Dass er neben seinem intellektuellen Anspruch eine klar strukturierte Dramaturgie besitzt und deswegen die Möglichkeit eröffnet, geistiges Vergnügen mit humorvoller Rezeption und märchenhaften Mythen zu teilen, macht die Größe des Films aus.

Bildqualität

Nur wenige Bildpunkte oder Verschmutzungen huschen hier und da über den Bildschirm, so dass solche analogen Rückstände nie störend wirken. Die Schärfe wechselt zwischen angenehm und gut. Über den ganzen Film hinweg ist ein leichtes Hintergrundrauschen zu sehen, zu dem sich ein dezentes Blockrauschen gesellt. Die Farbpalette ist nicht ganz so kräftig, aber noch recht gut. Der ausgewogene Kontrast sorgt für ein plastisches Bild. Es werden keine Details verschluckt. Manche Szenen wirken ein wenig milchig.

 

Tonqualität

Der japanische Mono-Ton liefert eine ordentliche Kulisse mir verständlichen Dialogen, die ohne nennenswertes Rauschen auskommen. In den Höhen neigt der Ton zum leichten Schrebbeln, das stört aber kaum.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus einer Bildergalerie und dem Trailer.

Fazit

„Hausu“ ist Bilderkino par Exelence, das Genremuster hinterfragt, ohne seine Geschichte aus den Augen zu verlieren. Detaillierte Kompositionen wechseln sich mit absurden Einfällen ab, die zusammen einen ebenso vergnüglichen wie intelligenten Film ergeben. Technisch ist die DVD in Ordnung.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Hausu (Japan 1977)
Länge 87 Minuten (Pal)
Studio Rapid Eye
Regie Nobuhiko Obayashi
Darsteller Kimiko Ikegami, Kumiko Ohba, Yôko Minamida, u.a.
Format 1:1,33 (4:3)
Ton DD 2.0 Mono Japanisch
Untertitel Deutsch
Extras Bildergalerie, Trailer
Preis ca. 20 EUR
Bewertung sehr gut, technisch ordentlich