Der doppelte Boden

Michael Clayton

Michael ClaytonDie menschliche Kulturleistung besteht darin, auf den Fundamenten der Erde eine zweite Schicht aufzubauen, die das Vorgefundene nutzt, interpretiert und ihm eine neue Bedeutung verleiht. Michael Clayton befindet sich an einem speziellen Punkt des Gesellschaft genannten Kulturleistungsmodells. Als sogenannter Ausputzer einer Anwaltskanzlei hilft er besonders wichtigen Kunden aus dem Schlamassel. Seine Aufgabe besteht darin, die Natur der Dinge zu entschlüsseln und ihnen nach außen eine neue Bedeutung zu geben, damit die Kunden den Schlamassel los sind. Clayton befindet sich im Zentrum eines kunstvollen Gebäudes aus Fakten, Interpretation und Neugestaltung. Tagtäglich erschafft er zweite Schichten, die ihn langsam aber sicher zu erdrücken drohen. Als er nach einem Auftrag mit seinem Auto kurz vor Sonnenaufgang über das Land rast, um zur Besinnung zu kommen, bricht für einen kurzen Moment das Fundament durch die zweite Schicht. Clayton hält sein Auto am Rande einer Weide an, um zu drei Pferden zu gehen, die auf einer Anhöhe stehen. In der morgendlichen Kälte ist der Atem von Mensch und Tier sichtbar. Für einen kurzen Augenblick, der dank des Fehlens schwülstiger Musik und dank des leicht verzagten Blickes George Clooneys als Michael Clayton ohne Kitsch in Szene gesetzt ist, entsteht ein Zustand der inneren Einkehr, bis die Explosion einer Autobombe die Ruhe durchschlägt. Clayton sollte ermordet werden.

Die Szene ist zentral für alles innerhalb des Films, weil sie Clayton zu der Erkenntnis bringt, wie er das Fundament für den Aufbau einer zweiten Schicht nutzen sollte. Gilroy redet keineswegs einer kitschigen Naturverbundenheit das Wort, sondern er offeriert eine unschuldige Basis, die man bei seinem Beitrag zur menschlichen Kulturleistung respektieren sollte. Die Kulturleistung aber bleibt die Aufgabe des Menschen. Ein spezieller Auftrag hat Michael Clayton in den letzten vier Tagen bis zu diesem Punkt geführt. Sein Kollege Arthur Eden, der den Konzern Unorth gegenüber einer Schadensersatzklage berät, hat sich während eines offiziellen Besprechungstermins beider Seiten entkleidet. Der Chemiekonzern, dessen Mittel gesundheitsschädlich sein soll, ist darüber wenig erfreut. Michael Claytons Aufgabe besteht Michael Clayton darin, die Sache in Ordnung zu bringen. Die Medikamente, welche Arthur Eden benötigt, bilden einen guten Ansatzpunkt, ihn als psychisch kranken Menschen einweisen zu lassen. Doch Eden entzieht sich seinen Kollegen, so dass die Mitarbeiterin Unorths, welche den Fall betreut, ein paar finstere Burschen engagiert, um die Sache des Konzerns auch heimlich voranzutreiben. Moral spielt dabei eine noch geringere Rolle als bei den Methoden Claytons. Wie alle handelnden Akteure innerhalb der Geschichte, offenbart Unorth dadurch seine Struktur des doppelten Bodens, die das Konstruktionsprinzip des Films ist.

Clayton tritt als Problemlöser auf, bekommt seine eigenen Schwierigkeiten der Geldschulden aber selbst kaum in den Griff. Arthur Eden leidet unter psychischen Störungen, hat aber eine klare Vorstellung über das Gebaren Unorths entwickelt, die keineswegs „verrückt“ ist. Stets öffnen sich im Handlungsverlauf neue Türen, deren dahinterliegende Räume der kühlen, metallisch-glänzenden Fassade der Kamerabilder weitere Aspekte verleihen. Die Fitnessstudios, Büroräume, Lofte, Autos und Glasfassaden sind die offensichtliche Ausprägung der zweiten Schicht, welche die verschiedenen Interpretationsansätze, mit denen die Akteure das Fundament der Erde ausfüllen wollen, gegen Unterschiede verbinden soll. Sie bilden eine Art Sprache des zugehörigen Systems. Tony Gilroy reflektiert in seinem Film den spannenden Lernprozess Michael Claytons, der seinem persönlichen Interpretationsansatz neue Vokabeln hinzufügt. Dadurch verliert das System seine Balance, da es die zusätzliche Sprache nicht ohne Anpassungsverluste integrieren kann. Daraus resultiert nicht nur eine intelligente Auseinandersetzung mit der Logik der menschlichen Kulturleistung – auch Gesellschaft genannt -, sondern auch der erbitterte Kampf der handelnden Akteure, die jeweils unbeschadet aus dem Anpassungsprozess herauskommen wollen. Ohne Verluste ist das aber nicht möglich.

Bildqualität

Das blitzsaubere Bild besitzt eine recht gute Schärfe, die jedoch nicht zum Besten gehört, was bei aktuellen Filmen möglich ist. Das liegt daran, dass das Bild in manchen Szenen ein bisschen weich erscheint. So ist der Detailreichtum des Bildes schwankend. Die Farbwiedergabe leistet sich demgegenüber keine Schwächen. Der metallische Glanz der farbliche reduzierten Bilder kommt stets ausgezeichnet zur Geltung. Der gute Kontrast sorgt für ein plastisches Bild. Neben einem leichten Hintergrundrauschen sind keine nennenswerten Rauschmuster sichtbar.

Tonqualität

Die beiden 5.1-Spuren bieten im Rahmen der Möglichkeiten eine gute räumliche Kulisse. Genrebedingt enthält der dialogreiche Film nur wenige Surroundeffekte. Dafür nutzt die Musik auch die hinteren Lautsprecher, so dass sich eine ansprechende Kulisse ergibt. Rauschen ist nicht zu hören. Der DTS-Ton besitzt gegenüber den 5.1-Spuren keine Vor- oder Nachteile.

Extras

Michael ClaytonDer Audiokommentar von Tony Gilroy (Regie) und John Gilroy (Schnitt) gehört zu den recht ordentlichen Vertretern. Beide gehen auf das visuelle Konzept ein, erläutern gelegentlich den Schnitt, liefern Produktionshintergründe und sprechen über das inhaltliche Prinzip einzelner Szenen. Dabei bleiben die Ausführungen aber oftmals recht allgemein, so dass die Möglichkeiten nicht voll ausgeschöpft werden. Das etwa 20minütige Making Of hat reinen Werbecharakter, so dass es nach der Ansicht des Films keinerlei Wert mehr besitzt. Sehr hübsch sind hingegen die drei Deleted Scenes, die wahlweise mit einem Audiokommentar von Tony Gilroy (Regie) und John Gilroy (Schnitt) angeschaut werden können. Beider ordnen die Szenen im Filmzusammenhang ein und erläutern, aus welchen Gründen die Szenen gechnitten wurden. Sie bieten zusätzliche Einblicke in Claytons Privat- und Berufsleben, die als Zusatzinformationen, quasi als Fußnote, interessant sind. Texttafelinformationen zu einigen Darstellern runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

„Michael Clayton” reflektiert auf intelligente Weise über die Anpassungsqualität der Gesellschaft, die als zweite Schicht die verschiedenen Ansätze einzelner Akteure in ein scheinbar harmonisches Gesamtbild übersetzt. Technisch ist die DVD gut.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Michael Clayton (USA 2007)
Länge 115 Minuten (Pal)
Studio Constantin
Regie Tony Gilroy
Darsteller George Clooney, Tom Wilkinson, Tilda Swinton, Sydney Pollack, Michael O'Keefe, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DTS Deutsch, DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch für Hörgeschädigte
Extras Audiokommentar mit Tony Gilroy (Regie) und John Gilroy (Schnitt), Making Of, u.m.
Preis ca. 18 EUR
Bewertung sehr gut, technisch gut