Auf der dunklen Seite des Traumes

Mord an einem chinesischen Buchmacher

Wenn John Cassavetes so etwas wie einen Film Noir dreht, dann fällt das Ergebnis natürlich nicht ganz so aus wie entsprechende Vorbilder aus den 40er oder 50er Jahren. Der eigenwillige amerikanische Regisseur versucht vielmehr, seine Vision von Träumern, die sich selbst verwirklichen wollen, in dem Gewand eines Film Noir unterzubringen. Im Zentrum steht der Clubbesitzer Cosmo Vitelli, dessen „Crazy Horse of the West“ eine seltsame erotische Revue präsentiert, die sich von den üblichen Stripclubs durch einen künstlerischen Ansatz abheben will. Gleich zu Beginn des Films zahlt Vitelli die letzte Rate an einen Kredithai, so dass der Club nun ihm gehört. Das muss natürlich gefeiert werden. Dabei landet Vitelli in einem illegalen Spielclub, wo er beim Poker eine gehörige Summe Geld verliert, die er unmöglich innerhalb kurzer Zeit zurück zahlen kann. Das wissen auch die Gangster, bei denen er die Spielschulden nun hat. Also zwingt sie Vitelli, einen chinesischen Buchmacher zu töten, der ihnen ein Dorn im Auge ist.

In der melancholischen Erzählung, die „Mord an einem chinesischen Buchmacher“ prägt, gibt es keinen strahlenden Traum, der auf seine Verwirklichung wartet. Die Risse sind in der Figur des Clubbesitzers Cosmo Vitelli, der sich als Künstler versteht, deutlich angelegt. Kaum hat er seinen Club abbezahlt, verstrickt er sich auch schon in illegale Pokerpatien, bei denen er soviel Schulden macht, dass sein Traum von einem selbstbestimmten Leben gefährdet ist. Die Frauen, welche in seinem Club arbeiten, lädt er ein, um den abbezahlten Club zu feiern. In den anschließenden Stunden sind sie aber nur noch Staffage. Dieser Cosmo Vitelli ist eine Figur, die auf dem Drahtseil des Lebens tanzt und irgendwann herunter fallen muss. Dieses Wissen verleiht dem einsamen Kampf Vitellis um seine Integrität eine immerwährende Melancholie, welche in den Clubszenen eine fast zärtliche Note bekommt, obwohl die erotische Revue ziemlich erbärmlich wirkt. Die dunkle Seite, das tragische Scheitern steigert Cassavetes im Verlauf des Films auch mit visuellen Mitteln. Die Nachtaufnahmen in der zweiten Hälfte, wenn Vitelli sich aufmacht, den chinesischen Buchmacher zu töten, besitzen die Qualität eines filmischen Gedichts. Das Zusammenspiel aus Licht und Dunkelheit visualisiert den stetigen Weg Vitellis, der aus seinem persönlichen Paradies hinabsteigt, nur durch ein paar retadierende Momente unterbrochen, wie es gute Tragödientradition ist.

Bildqualität

Mit der Bildqualität kann man sehr zufrieden sein. Defekte oder Verschmutzungen gibt es trotz der gut 30 Jahre, die der Film alt ist, nicht. Die Schärfe schwankt zwischen angenehm und leicht matschig, so dass das Bild nur selten sehr detailreich ausfällt. Die Farbwiedergabe fällt im Verbund mit dem Kontrast gut aus. Das leichte Hintergrundrauschen stört nicht.

Tonqualität

Die beiden Tonspuren liefern eine ordentliche Vorstellung. Die Dialoge sind klar und verständlich, leichte Verzerrungen gehören bei einem Monoton meist dazu. Der deutsche Ton ist etwas klarer als der englische Originalton, letzterer wirkt aber organischer ins Geschehen eingefügt. Störendes Rauschen gibt es nicht.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus der faszinierenden Dokumentation „A constant forge – The life and art of John Cassavetes” (211 Minuten) von Charles Kiselyak. Darin kommen Darsteller aus Cassavetes-Filmen, Regie-Kollegen und Familienmitglieder zu Wort, die Cassavetes als unabhängigen Kämpfer für seine Vision charakterisieren.

Fazit

„Mord an einem chinesischen Buchmacher” ist Cassavetes' melancholisches Meisterwerk über einen ambivalenten Träumer. Technisch ist die DVD ordentlich.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Killing of a Chinese Bookie (USA 1976)
Länge 129 Minuten (Pal)
Studio Koch Media
Regie John Cassavetes
Darsteller Ben Gazarra, Timothy Carey, Seymour Cassell, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras A constant forge – The life and art of John Cassavetes
Preis ca. 16 EUR
Bewertung sehr gut, technisch ordentlich