Runde Action

Yo-Yo Girl Cop

Nach drei Staffeln TV-Serie Mitte bis Ende der 80er Jahre und zwei Kinofilmen Ende der 80er Jahre war erst einmal Schluss mit Realverfilmungen aus dem Sukeban-Deka-Universum, das die erfolgreiche Manga-Serie Shinji Wadas begründet hatte. Eine Anime-Umsetzung folgte noch im Jahr 1991. Kenta Fukasakus „Yo-Yo Girl Cop“ lässt die Sukeban-Deka-Welt erneut erstehen. Im Zentrum steht „K“, eine Ausreißerin, die in New York inhaftiert wurde. Sie besitzt nicht nur beachtliche kämpferische Fähigkeiten, sondern ist auch die Tochter eines ehemaligen Girl-Cops. Bei den Girl-Cops handelt es sich um speziell ausgebildete jugendliche Agentinnen, die dort ermitteln sollen, wo die Polizei kaum Zugang hat: in der Welt der Jugendlichen. Vor Jahren wanderte „Ks“ Mutter illegal in die USA ein und sitzt nun auch in einem New Yorker Knast. Ihr ehemaliger Vorgesetzter, ein abgehalfterter Mann mittleren Alters, transportiert ihre Tochter „K“ nach Japan, wo diese als neuer Girl-Cop innerhalb von drei Tagen einen kniffligen Fall lösen soll. Wenn sie kooperiert, wird ihre Mutter freigelassen. Nach anfänglichem Zögern lässt sie sich schließlich unter dem Tarnnamen Asamiya Saki, den alle Girl-Cops zuvor bereits getragen haben, in die Seisen-Schule einschleusen. Dort vermuten ihre Vorgesetzten die Urheber der bedrohlichen Internetseite Enola Gay, welche nach dem amerikanischen Flugzeug benannt wurde, das die Atombombe über Hiroshima abgeworfen hat. Konventionelle Bomben tauchen seit einiger Zeit im Umfeld der Seisen-Schule auf, darüber hinaus sorgt ein Countdown auf der Netzseite für Beunruhigung. Bei dem Versuch das gefährliche Geheimnis um den Countdown aufzudecken greift Asamiya Saki auch zu kämpferischen Mitteln, die natürlich auch das legendäre Jo-Jo beinhalten.

Innerhalb der japanischen Filmgeschichte hat sich seit Jahrzehnten eine filmische Tradition entwickelt, die mit den Mitteln der Trivialkultur ernsthafte Themen beackert. Neben einem ausgesprochenen Sinn für Pulp-Elemente gehört dazu der geschickte Umgang mit symbolischen Zeichen. Letztere sorgen dafür, dass die angesprochenen Themen nicht über ausgefeilte Dialoge oder eine viele Aspekte detailliert ausarbeitende Dramaturgie transportiert werden müssen. Stattdessen eröffnen die Zeichen im Verbund mit grellen, ausdrucksstarken Bildern Themenkomplexe, deren Details die Zuschauer aufgrund persönlicher Erfahrungen oder sonstigem Wissen ausfüllen müssen. Dieses Ansinnen funktioniert dann, wenn die Themen hinreichend deutlich angesprochen werden und deswegen keine interpretatorische Willkür walten muss, und wenn die Bildinszenierung klare Emotionen sowie thematische Assoziationen auslöst. Die inhaltlichen Schwerpunkte in „Yo-Yo Girl Cop“ liegen auf der Hand. Asamiya Saki beobachtet sofort nach ihrem Eintreffen Gewalt stärkerer gegen schwächere Schüler. Sie selbst versucht nicht nur, den Fall zu lösen, sondern kämpft auch auf der Seite der Unterdrückten. Der Plan hinter dem Countdown offenbart die Orientierungslosigkeit einer Generation, die ihre Wertenullstelle mit nihilistischer Gewalt ausfüllen muss, um überhaupt etwas empfinden zu können. Hinzu kommt das persönliche Drama Asamiya Sakis, die zwar ein sehr zwiespältiges Verhältnis zu ihrer Mutter besitzt, aber letztlich auch deswegen zum Girl-Cop wurde, um sie aus dem Gefängnis zu befreien.

Im Zentrum stehen folglich Jugendliche und ihre Schwierigkeit, einen festen Platz innerhalb der Gesellschaft zu finden. Die anfangs orientierungslose „K“ findet als Asamiya Saki schließlich Halt, indem sie sich innerhalb ihrer Mission für ihre Mitschülerinnen einsetzen kann, die im gezeigten Schulsystem – Lehrer schauen bei Gewalt absichtlich weg – unterzugehen drohen. Diese innerhalb der Pulp-Geschichte sichtbaren gesellschaftskritischen Ansätze unterfüttert Kenta Fukasaku mit grellen Bildern. So wecken die häufig auftauchenden Schüler mit Sprengstoffgürteln trotz der oftmals offensichtlichen Trotteligkeit ihrer Träger Assoziationen an terroristische Bedrohungsszenarien. Gleich zu Beginn explodiert eine Schülerin inmitten des sehr belebten Shibuya, später im Film rennt ein Sprengstoffgürtel tragender Schüler in eine gut besuchte Einkaufspassage. Die symbolischen Bilder nutzen die damit verbundene Terrorassoziation, um ein Gefühl allgegenwärtiger, plötzlicher Bedrohung aufzubauen. Natürlich geht es nicht um eine Warnung vor terroristischen Anschlägen, sondern um die Charakterisierung der innergesellschaftlichen Gefahr, welche mit einer zunehmend orientierungslosen Jugend verbunden ist. Ganz platt ausgedrückt handelt es sich um eine Zeitbombe, die nur durch die ehrliche Anteilnahme und Freundschaftsbekundung entschärft werden kann, die Asamiya Saki verkörpert. Um solche Themen massenkompatibel unter das Volk zu bringen, eignet sich die gewählte, harmlos wirkende Form der Pulp-Action in ausgezeichneter Weise. Schulmädchen in entsprechenden Uniformen mit knappen Röcken, ein überzeichneter Vorgesetzter mit Hinkebein und stets verzerrtem Gesichtsausdruck, Jo-Jos als Waffe, ein Inszenierungsstil, der gelegentlich Klamauk-Witze einstreut, und Martial-Arts-Kämpfe sorgen für den notwendigen Unterhaltungsfaktor, der die Inhalte aber nicht untergraben kann. Das liegt daran, dass in den emotional zentralen Szenen Witze keinen Platz haben, so dass ihre Ernsthaftigkeit ungebrochen bleibt. Daneben regiert der absurde Spaß, der „Yo-Yo Girl Cop“ das entsprechende Pulp-Gewand verleiht, indem die Hauptfigur auch einmal durch ihr eigenes Jo-Jo niedergestreckt werden darf, die Charaktere zu coolen Posergesten neigen und das Finale grelle Kleidung sowie überdrehte Action präsentiert.

Bildqualität

Das Bild präsentiert sich zwar blitzsauber, aber mit wechselnder Schärfe. So neigt es immer wieder mal zu einer leicht matschigen Optik, welche sowohl Details als auch Konturen nicht optimal abbildet. Da könnte ein so aktueller Film schon etwas mehr bieten. Die Farben hingegen sehen sehr gut aus und unterstützen den Aspekt der Orientierungslosigkeit mit leicht reduzierten Tönen. Nennenswerte Rauschmuster treten nicht auf.

Tonqualität

Die 5.1-Spuren sorgen in den Actionszenen für eine gelungene räumliche Kulisse, die auch die hinteren Lautsprecher miteinbezieht und eine feine Dynamik besitzt. In den ruhigen Szenen könnte hier allerdings noch mehr geboten werden, wenn eine intensivere Abmischung atmosphärischer Geräusche durchgeführt worden wäre. Insgesamt aber machen die 5.1-Spuren eine ordentliche Figur.

Extras

Hinter „Aya Matsuura trifft Yuki Saito“ (etwa vier Minuten) verbirgt sich ein Doppelinterview mit Aya Matsuura, die im vorliegenden Film die Rolle der Asamiya Saki übernommen hat, und Yuki Saito, welche in der ersten Serien-Staffel Asamiya Saki spielte und im vorliegenden Film die Mutter Asamiya Sakis verkörpert. Im Interview geht es um die Rolle Asamiya Saki, die Drehbedingungen damals und heute sowie die Änderungen, die sich durch erweiterte Möglichkeiten ergeben haben. Als vergleichende Betrachtung zweier Werke aus dem Sukeban-Deka-Universum ist der kurze Beitrag gut gelungen. Interviews mit dem Filmteam (etwa 15 Minuten) verbindet Filmszenen mit Interviewschnipseln diverser Darsteller und Crewmitglieder. Darin geht es oftmals um die persönlichen Schwierigkeiten einzelner Darstellerinnen, die Rollen zu verkörpern. Denn die zentralen Schauspielerinnen konnten nur auf eine sehr kurze Karriere zurückblicken oder standen zum ersten mal vor der Kamera. Aya Matsuura (Asamiya Saki) ist eine populäre Sängerin und Rika Ishikawa (Reika Akiyama), Yui Okada (Taie Kono) sowie Erika Myoshi (Kotomi Kanda) bilden die Girl-Band Biyuuden (http://wiki.theppn.org/Biyuuden). Darüber hinaus gibt es ein paar Impressionen vom Dreh und ein paar Sätze zur Einordnung der einzelnen Figuren. Interessantes wechselt sich mit Nettem ab. „Yo-Yo Girl Mission“ (etwa 22 Minuten) ist ein klassisches Making of mit Interviews, B-Roll-Aufnahmen und Filmausschnitten, das am stärksten Werbebotschaften über die Grandiosität des Films unter das Volk streuen möchte. Zwischendurch geht es aber auch mal darüber hinaus. Der Trailer zum vorliegende Film sowie jeweils ein Trailer zu den beiden älteren Sukeban-Deka-Filmen rundet das Bonusmaterial ab.

Fazit

„Yo-Yo Girl Cop“ gehört in die japanische Filmtradition, ernsthafte Themen innerhalb absurder Pulp-Werke zu beackern. Das hat den großen Vorteil einer absolut unterhaltsamen wie rasanten Inszenierung, die zudem auch inhaltlich etwas bieten kann, wenn man sich darauf einlassen will. Im vorliegende Fall geht es um fehlende Orientierung unter Jugendlichen, denen über die Figur des Yo-Yo-Girl-Cop ein positiv gewandeltes Rollenmodell entgegen gesetzt wird. Technisch liegt die DVD noch im guten Bereich.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Sukeban Deka: Kôdo Nemu = Asamiya Saki (Japan 2006)
Länge 99 Minuten (Pal)
Studio Rapid Eye Movies
Regie Kenta Fukasaku
Darsteller Aya Matsuura, Rika Ishikawa, Shunsuke Kubozuka, Yuki Saito, Hiroyuki Nagato, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Japanisch
Untertitel Deutsch
Extras Interviews mit dem Filmteam, Trailer, u.m.
Preis ca. 19 EUR
Bewertung gut, technisch gut mit kleinen Schwächen