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rezensionen

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blu-ray

Variable Dimensionen

El Topo

Die Filme von Alejandro Jodorowsky Nr. 1: alle Filme

Für eine herausragende Bluray-Edition (sehr gute Bildqualität und überzeugendes Bonusmaterial) wird dieser Bluray der Gipfel verliehen.

 

Die Filme von Alejandro Jodorowsky
Die frühen Filme des chilenischen Künstlers Alejandro Jodorowsky waren aufgrund rechtlicher Schwierigkeiten lange Zeit nicht offiziell verfügbar. Nachdem es zu einer Einigung kam, war der Weg frei und das Label Bildstörung präsentiert „El Topo“ (Mexiko 1970), „Der heilige Berg“ („Montana Sacra“, Mexiko/USA 1973) und als Bonus „Fernando y Lis“ (Mexiko 1968) in einer schönen Box, sowohl auf Bluray als auch auf DVD.

El Topo

Jodorowsky machte 1970 mit „El Topo“ in den New Yorker Avantgarde-Zirkeln auf sich aufmerksam. Das Werk avancierte zu einem der erfolgreichsten Werke in den Mitternachtsvorstellungen. Dabei handelte es sich um Vorführungen in kleinen Kinos, die Filme abseits des Mainstreams zeigten. Im Elgin, einem dieser Läden, begann „El Topo“ seinen Siegeszug.
Der schwarz gekleidete Pistolero El Topo (Alejandro Jodorowsky) reitet mit seinem nackten Sohn (Brontis Jodorowsky) durch die Wüste. Nach einem bizarr anmutenden Initiationsritus, der das Kind zum Mann machen soll, kommen die beiden in einer Stadt an, deren Bewohner massakriert wurden. Ein Sterbender verrät El Topo, dass der Colonel (David Silva) für die Gräueltat verantwortlich ist. El Topo spürt den Schuldigen auf, bestraft ihn, nimmt ihm dessen Geliebte Mara (Mara Lorenzio) weg, verstößt seinen eigenen Sohn und reitet mit der Frau in die Wüste. Das zunächst ruhige Dasein in friedlichem Einklang mit der kargen Natur scheitert jedoch an Maras Ungeduld. Sie ist nicht nur mit der bescheidenen Existenz unzufrieden, sie will auch, dass El Topo zum Beweis seiner Liebe die in der Wüste lebenden vier Meisterschützen besiegt. El Topo macht sich gemeinsam mit Mara auf den Weg, um durch Duelle mit den waffenerprobten Eremiten zu einer Existenz in Harmonie mit sich und der Umgebung zu gelangen. Ein Reise in die Ungewissheit beginnt.

Jodorowsky geizt in „El Topo“ nicht mit religiösen Verweisen auf Jesus, Moses oder Buddha. Er zitiert Motive des Italowestern, einem Genre aus dem Grenzland der Zivilisation, dessen Figuren in einer irrationalen Existenz aus Gewalt und Erlösung gefangen zu sein scheinen. Und er präsentiert einen Bilderkanon voll symbolischer Darstellungen. Kurzum der Chilene jongliert El Topo mit einem populären Genre, um dessen Andeutungen einer paranoiden Angststruktur mit einer spirituellen Sinnsuche zu kombinieren.
Daraus ergibt sich eine Erzählung, die zwar stringent wiedergegeben werden kann, die den Helden El Topo aber immer wieder in neue Sackgassen führt. So erweisen sich die Duelle mit den Meistern als trügerische Meilensteine auf dem Weg zur Erkenntnis, wenn der letzte Meister durch einen Selbstmord die bis dahin gescheiterten Versuche El Topos, ihn zu töten, ad absurdum führt. Er entlarvt die Gewalt des sinnsuchenden Pistoleros als stumpfes Schwert, das zudem auch nie mehr als reine Gewalt war. El Topo wird im Verlauf der Handlung sogar getötet und wiedergeboren, nur um dann eine Aufgabe zu erledigen, deren Erfolg nach ihrem Abschluss sofort wieder zunichte gemacht wird.

Die Suche nach Erkenntnis bleibt ein Prozess des Scheiterns, der wiederum Erkenntnisse zu Tage fördert. Diese in sich geschlossene Kreisbewegung sorgt dafür, dass es bei „El Topo“ nicht um die lineare Erzählung an sich geht. Jodorowskys Stärke ist es vielmehr, Bilder zu kreieren, die eine mythologische Dimension jenseits ihrer Oberfläche besitzen. Ein armloser Mann trägt einen kleinwüchsigen ohne Beine auf seinem Rücken. In eine Höhle, deren einziger Zugang ein Loch in einer mehrere Meter hohen Decke ist, lebt eine Schar missgebildeter Kleinwüchsiger. Ein in mexikanischer Bauernkleidung gewandeter Mann sitzt unter einem schattenspendenden Holzdach, umgeben von einer Herde weißer Kaninchen. Die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen. Allen Bildern ist gemeinsam, dass sie jenseits der Sehgewohnheiten ein irritierendes Potenzial besitzen, ohne in unfassbare Abstraktionen abzugleiten. Ihr Inhalt dockt an die bekannte Welt an, ohne sie wiederzugeben. Stattdessen entsteht der Wunsch, im Gezeigten einen Sinn zu suchen, der als klare Dimension gar nicht vorhanden ist. So lockt Jodorowsky sein Publikum in eine mythologische Realität, die jeder für sich selbst erschafft.

Demnächst folgen die Updates zu „Der heilige Berg“ und „Fando y Lis“.

Bildqualität

El Topo

Die Bluray überwältigt mit einem ausgezeichneten Bild, das keine Wünsche offen lässt. Die Schärfe ist auf Topniveau, sodass die Landschaft und ihre Objekte hervorragend wiedergegeben werden. Die kräftigen Farben gehen durch alle Nuancen des Spektrums, das Jodorowsky verwendet hat. Tiefblauer Himmel, zwischen Pastelltönen und sattem Gelb changierender Sand, die karg anmutenden weißgrauen Steine legen ein Zeugnis davon ab. Im Verbund mit dem sehr guten Kontrast sieht „El Topo“ frisch aus.

Tonqualität

Der spanische DTS-HD-Master-5.1-Upmix wurde sehr dezent vorgenommen, sodass das Klangerlebnis frontlastig geraten ist. Im Prinzip ist das auch in Ordnung, weil ein größerer Eingriff den Film auch nicht nennenswert vorangebracht hätte. Die Dialoge sind gut verständlich, die Musik klingt mal ruhig-friedlich, mal wabert sie mystisch durch den Raum.
Da der Upmix dezent ausgefallen ist, stehen die 2.0-Mono-Tonspuren qualitativ kaum nach.

Extras

Der deutsch untertitelte Audiokommentar von Alejandro Jodorowsky (Regie) ist sehr informativ. Jodorowsky liefert zahlreiche Hintergrundinformationen zu den Dreharbeiten, geht auf einzelne Motive des Films ein und kombiniert die Ausführungen mit biografischen Details aus seinem Leben. So zieht er eine zusätzliche Erkenntnisebene ein, die man nutzen kann, um den Film aus unterschiedlichen Blickwinkeln neu zu sehen.
Die sehr schöne Filmmusik ist auf einer eigenen Audio-CD enthalten.
Im 24-seitigen Booklet ist der lange Auszug eines Interviews abgedruckt, dass 1970 anlässlich der New Yorker Aufführungen von „El Topo“ mit Jodorowsky geführt wurde. Zu den Fragestellern gehörten unter anderem Ira Cohen, Ross Firestone und Steve Roday. Jodorowsky versprüht darin den künstlerischen Wahnsinn eines aufgedrehten Suchers nach philosophischen Erkenntnissen, der mit Geschichten, Gleichnissen und absurden Abschweifungen nur so um sich wirft. Absolut lesenswert. Zusätzlich enthält das Booklet Unterlagen zum Indizierungsverfahren zu „El Topo“.

Fazit

„El Topo“ besticht durch Bilder aus einem Zwischenreich, die sich einer eindeutigen Interpretation verweigern. Sie können aber dazu beitragen, Erkenntnisse zu erlangen, wenn man sie vor dem Hintergrund der eigenen Persönlichkeit meditativ reflektiert.
Technisch ist die Bluray exzellent. Das gilt auch für die übrigen Scheiben in der Box. Zusammen mit dem hervorragenden Bonusmaterial ergibt sich daraus ein würdiger Gipfel.

Stefan Dabrock

07.04.2014

   
Originaltitel El Topo / Montana Sacra / Fando y Lis (Mexiko 1970 / Mexiko, USA 1973 / Mexiko 1968)
Länge 125 / 113 / 93 Minuten (24p)
Studio Bildstörung
Regie Alejandro Jodorowsky
Darsteller Alejandro Jodorowsky, Brontis Jodorowsky, Alfonso Arau, Mara Lorenzio, Paula Romo, u.a. / Alejandro Jodorowsky, Horacio Salinads, Zamira Saunders, u.a. / Sergio Kleiner, Diana Mariscal, María Teresa Rivas, Tamara Garina, u.a.
Format 1:1,33 (4:3) / 1:2,35 (16:9) / 1:1,66 (16:9)
Ton DTS-HD-Master 5.1 Spanisch, 2.0 Mono Spanisch, Deutsch
Untertitel Deutsch
Extras Audiokommentar von Alejandro Jodorowsky (Regie), Soundtracks zu „El Topo“ und „Montana Sacra“, u.m.
Preis ca. 60 EUR
Bewertung sehr gut, technisch ausgezeichnet