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blu-ray

Dämonen der Geschichte

Urban Explorer

Urban Explorer

Deutsches Horrorkino ist nach wie vor ein weitgehend seltener Anblick, aber immer wieder wagen sich Regisseure mit einer Vorliebe fürs Genre ins Licht der Öffentlichkeit. Andy Fetscher, der mit seiner an der Filmakademie Baden Würtemberg entstandenen Abschlussarbeit „Bukarest Fleisch“ bereits auf sich aufmerksam gemacht hat, legt nun mit „Urban Explorer“ nach.
Die zahlreichen, seit Jahren brach liegenden Gänge und Räume unterhalb Berlins bilden den Anknüpfungspunkt für eine klassische Slashergeschichte. Die ausländischen jugendlichen Touristen Denis (Nick Eversman), Lucia (Nathalie Kelley), Marie (Catherine de Léan) und Juna (Brenda Koo) wollen in den geheimnisvollen Untergrund der Hauptstadt eindringen, um ein Abenteuer jenseits der üblichen Sehenswürdigkeiten zu erleben. Da der Trip nicht ganz legal ist, reden sie sich auf Geheiß ihres „Reiseleiters“ nur mit Decknamen an. Der stellt sich als „Dante“ vor und macht der kleinen Gruppe den Mund mit der Aussicht auf Wandmalereien in einem alten Nazibunker aus dem Zweiten Weltkrieg wässrig. Während der Klettertour durch die verschlungenen Gänge verletzt sich Dante jedoch schwer. Er ist der einzige, der den Ausgang kennt, so dass die Gruppe im Dunkel der Kellerwelt eingesperrt zu sein scheint.

Fetscher hat sich bei seinem zweiten Spielfilm auf das bewährte Grundgerüst des Slashers zurückgezogen. Deswegen bietet die Dramaturgie, bei der auch ein paar unlogische Elemente hingenommen werden müssen, keine großen Überraschungen. Der Reiz muss aus anderen Aspekten gewonnen werden. Katakomben gibt es zwar auch in anderen Horrorfilmen, so wagte sich Gary Sherman in „Tunnel der lebenden Leichen“ schon 1973 in Londons U-Bahn-Welt, aber Fetscher begnügt sich nicht mit der Angst vor dem Dunklen an sich. Er verknüpft die Berliner Unterwelt mit Andeutungen über die deutsche Geschichte, die als wabernder Überbau präsent ist. Fakten und phantasiereiche Ausschmückungen erzeugen eine Mischung aus Urban Explorer gespenstischem Grusel und Faszination. Dante entfernt sich bei seinen Erläuterungen über die Gänge schnell von realen Bezügen zum dunklen Kapitel der Nazizeit, um Aspekte eines absurden Weltraumprojektes zum besten zu geben, das unter Hitler angebliche in den Tunneln geplant worden sei. Er lädt seine Schützlinge zu einem Spiel mit den Dämonen der deutschen Vergangenheit ein, um der unübersichtlichen Kellerwelt zusätzliche Dramatik einzuhauchen. Das Auftauchen zweier ungemütlicher Neonazis deutet jedoch an, dass die Vergangenheit bei ewig Gestrigen länger präsent ist, als man sich das wünschen würde. Das naive Spiel mit komplexen historischen Themen, zu denen auch die Spuren vergangener DDR-Präsenz im Berliner Untergrund gehören, kann in einem Slasher nicht folgenlos bleiben.

Zum gespenstischen Überbau aus Nazi- und DDR-Vergangenheit gesellt sich in „Urban Explorer“ ein souveräner filmischer Umgang mit den Örtlichkeiten. Der Einsatz von Licht und Schatten, Schnitte auf Schockeffekte, die aus dem undurchdringlichen Dunkel hervorbrechen, und andere technische Mittel bedienen den Kanon der Spannungserzeugung auf effektive Weise. Hier ist einer Regisseur am Werk, der seine Vorbilder kennt und das Handwerk beherrscht. Originalität ist bei der Spannungserzeugung nicht notwendig.
Neben den historischen Andeutungen hat Andy Fetscher aber vor allem einen Trumpf anzubieten, der sein Werk von anderen Slasher-Filmen unterscheidet: Seine Killerfigur repräsentiert in stark überzeichneter Form nicht nur den dämonischen Geist der Vergangenheit, sie kommt auch mit einer Mischung aus Menschlichkeit, Wahnsinn und einem ins Groteske überführtem Pflichtbewusstsein daher, der den Jugendlichen auf sardonische Weise klar macht, dass man mit dem Geist der Geschichte nicht spielt. Fetscher hantiert in „Urban Explorer“ mit Andeutungen. Weder auf der Seite der Charaktere noch bei der Aufarbeitung der Fakten durchdringt er Fragen der politischen Dimension. Das Mittel der Karikatur und der Hinweis auf die Historie stehen im Vordergrund der Inszenierung. Als Symbole eröffnen sie ein Feld, das auch ohne differenzierte filmische Betrachtung wirkungsvoll ist. Fetscher beschwört den Geist der deutschen Vergangenheit herauf, der als übernatürliche Existenz mit brutaler Konsequenz aus dem Dunkel heraustritt, um sein mörderisches Treiben zu vollziehen. Das mag man als billiges Spiel mit Mythos und Realität abtun, um einen vermarktbaren Horrorfilm auf die Beine zu stellen. Das ändert aber nichts daran, dass es der Wiederhall unmenschlicher Verfehlungen ist, der als tödliche Gefahr durch die Gänge läuft. Das Grauen kommt in „Urban Explorer“ keineswegs aus dem Nichts. Es war schon einmal da und ist ein Teil von uns.

Bildqualität

Urban Explorer

Das Bild der Bluray leistet sich keine nennenswerten Schwächen. Die sehr gute Schärfe präsentiert die düsteren Szenerien der Kellergewölbe und -tunnel in einwandfreier Qualität. Gegenstände und Figuren wirken nie weich oder auf andere Weise beeinträchtigt. Von Farben kann man angesichts des weitgehend dunklen Settings kaum sprechen. Stattdessen kommt dem Kontrast eine entscheidende Rolle zu. Und der gibt sich keine Blöße. Bei tiefem Schwarzwert bleibt der Detailreichtum dennoch gut. Leichte Stufenbildung beim Helligkeitsverlauf können den Genuss nicht trüben.

Tonqualität

Die DTS-HD-Master-5.1-Tonspur punktet mit einer zumeist ausgewogenen Abmischung zwischen Dialogen und übrigen Geräuschen. Die Verständlichkeit der Worte ist nie in Gefahr. Die präsenten Soundeffekte sowie Nebengeräusche nutzen auch die hinteren Lautsprecher, so dass die Spannungswirkung des Films auch auf akustischer Ebene weiter angeheizt wird. Dabei reichen die räumlichen Qualitäten zwar nicht an beste aktuelle Filme heran, aber das kann nicht über die Qualität der angebotenen Abmischung hinweg täuschen.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus einem Making Of (4 Minuten), das keine nennenswerten Informationen bietet, und einem Trailer.

Fazit

„Urban Explorer“ geht über ein paar unlogische Aspekte der Handlung hinweg, um mit Hilfe einer brillant-dämonischen Killerfigur den mörderischen Geist der Geschichte als sardonische Karikatur auf seine sonstigen Figuren loszulassen. Spannung und der Verweis auf das Böse als präsenter Teil scheinbar verschütteter Vergangenheit gehen eine gelungene Liaison ein. Technisch ist die Bluray sehr gut.

Stefan Dabrock

20.04.2012

   
Originaltitel Urban Explorer (BRD 2011)
Länge 90 Minuten (24p)
Studio Universum Film
Regie Andy Fetscher
Darsteller Nathalie Kelley, Nick Eversman, Klaus Stiglmeier, Max Riemelt, Catherine de Léan, Brenda Koo, Adolfo Assor, Johannes Klaußner, Andreas Wieniewski, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DTS-HD-Master 5.1 Mehrsprachig (Deutsch, Englisch)
Untertitel Deutsch, Deutsch für Hörgeschädigte
Extras Making Of, Teaser, Trailer
Preis ca. 18 EUR
Bewertung sehr gut, technisch gut