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kurzrezension

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22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

dvd

Jenseits der Orientierung

Sing a Song of Sex

Japanische Meisterregisseure Nr. 2: alle Filme

Sing a Song of Sex

Mit der zweiten Veröffentlichung „Sing a Song of Sex“ aus der mit 22 Werken japanischer Regisseure (Nagisa Ôshima, Yoshitarô Nomura, Keisuke Kinoshita, Yasujirô Ozu) geplanten DVD-Reihe „Japanische Meisterregisseure“ legt Polyfilm einen raren Film aus dem Schaffen Nagisa Ôshimas vor.

Der weitgehend improvisierte Film stellt vier junge Studenten in den Mittelpunkt, die sich mehr für das weibliche Geschlecht interessieren, als sich mit Lerninhalten oder Politik zu beschäftigen. Vor allem eine junge Frau hat es ihnen angetan, die sie nach ihrem Sitzplatz während einer Prüfung nur Nummer 469 nennen, den tatsächlichen Namen kennen die Vier jedoch nicht. Gemeinsam mit drei gleichaltrigen Frauen und ihrem Lehrer ziehen die vier Studenten durch die Trinkhäuser der Stadt, wo der inzwischen arg betrunkene Lehrer ein schmutziges Lied anstimmt, das bei den männlichen Mitgliedern der Gruppe mit Freuden aufgenommen wird. Die ausgelassen Stimmung sorgt schließlich dafür, dass alle Beteiligten den letzten Zug verpassen, so dass sie in einem Herberge unterkommen müssen. Als einer der Studenten noch einmal zum Zimmer des Lehrers geht, um seinen Stift zu holen, stellt er fest, dass sich der Gasschlauch des Ofens gelöst hat. Doch statt dem schlafenden Mann zu helfen, verlässt er das Zimmer einfach wieder.

Angesichts vieler schnell gedrehter Filme mit untalentierten Kameraleuten ist es immer wieder eine Wohltat, ein Werk mit sorgfältig komponierten Bilderarrangements zu sehen. Regisseur Nagisa Ôshima und sein Kameramann Akira Takada, mit dem er „Sing a Song of Sex“ realisiert hat, verstehen es ohne Zweifel, das Scope-Format mit ebenso ausgewogenen wie ausdrucksstarken Szenerien zu nutzen. Das reicht von einer nebelverhangenen Brücke, auf der die Menschen nur schemenhaft zu erkennen sind, bis zu Bildern aus der Vogelperspektive, welche die vier Studenten einsam über einen schneebedeckten Sportplatz gehend zeigt, und Sing a Song of Sex der Symmetrie eines durch die Straße marschierenden Demonstrationszuges. Zur puren Schönheit der Komposition, die das Auge mit ihrer harmonischen Gestaltung erfreut, gesellt sich die inhaltliche Kraft solcher Bilder, die angesichts eines improvisierten relativ losen Handlungsverlaufes unerlässlich ist. Nagisa Ôshima zeigt die vier Hauptfiguren in solchen Bildern als isolierte Persönlichkeiten ohne feste Bindung in der Gesellschaft. Sie befinden sich an einem Punkt, wo ihnen freier Raum offen steht, den sie gestalten können, um ihren Platz im Leben zu finden. Bedächtig baut der Film diese Atmosphäre der fehlenden Position in der Gesellschaft, die sowohl Freiheit als auch Orientierungslosigkeit mit sich bringt, auf. Die innere Verfassung der Studenten, die nicht in der Orientierungslosigkeit verharren muss, manifestiert sich in den visuellen Arrangements des Films wie der Sportplatzszene auf eine so direkte Weise, dass die Komplexität ihrer Situation kraftvoll erfahrbar wird.

Sing a Song of SexChance und Desillusionierung, Freiheit und Isolation, Nähe – die vier gehen eng beieinander – und Distanz – die Szene ist weiter Ferne aufgenommen – sind nur ausgewählte Aspekte des Seelenzustandes, die sich darin sowie in anderen Bildern bündeln. Da die Hoffnungslosigkeit aber noch nicht vollends das Regiment übernommen hat, sind die folgenden Ereignisse des Films, in denen imaginierte sowie reale Niedertracht den Ton angeben, umso erschreckender. Nagisa Ôshima zeichnet ein wahrhaft pessimistisches Bild der männlichen Jugend, deren fehlender Halt sowie die noch nicht ausgeprägte Fähigkeit, mit Gefühlen umzugehen, in seinem Werk in Gewalt umschlägt. Er behält sich aber eine Hintertür offen, weil in dem plötzlichen Umschlag in der Mitte des Films auch die Option steckt, dass es in eine andere Richtung umschlagen kann. „Sing a Song of Sex“ erweist sich somit als kluge Reflexion über die Labilität, welche die Lebensphase zwischen Jugend und Erwachsen sein prägt.

Bildqualität

Sing a Song of Sex

Das Bild der DVD weist angesichts des Filmalters eine sehr gute Qualität auf. Verschmutzungen oder Defekte sucht man vergebens. Die Schärfe ist zumeist gut, teilweise sogar sehr gut. Der Detailreichtum des Bildes ist sehr ordentlich, nur manche Szenen wirken etwas weich. Die Farben sind kräftig und geben den visuellen Stil des Films ausgezeichnet wieder. Der ausgewogene Kontrast leistet sich kaum Schwächen, gelegentlich überstrahlen die Bilder ganz leicht. Das Hintergrundrauschen bleibt unauffällig.

Tonqualität

Der japanische 2.0-Mono-Ton – eine deutsch Synchronisation existiert nicht - liefert klare und verständliche Dialoge, die nur geringe Verzerrungen aufweisen. Das gilt auch für die Musik sowie die Toneffekte. Insgesamt eine gute Tonqualität.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus einem 20seitigen Booklet, das sich der kompletten Reihe widmet, indem die einzelnen Regisseure Nagisa Ôshima, Yoshitarô Nomura, Keisuke Kinoshita und Yasujirô Ozu sowie die Filme vorgestellt werden, deren Veröffentlichung noch geplant ist. Die Designqualität des Booklets, das ansonsten mit dem aus der ersten DVD-Veröffentlichung der Reihe identisch ist, wurde dabei ebenso verbessert wie das Format nun so ausfällt, dass das Booklet auch ohne leicht zu wellen in die DVD-Hülle passt.

Fazit

In „Sing a Song of Sex“ reflektiert Nagisa Ôshima mit wunderschönen Scope-Bildern über die Orientierungslosigkeit männlicher Jugendlicher an der Schwelle zum Erwachsen werden. Dabei gelingen Oshima und seinem Kameramann Akira Takada Bilder, welche die komplexe innere Verfassung der Hauptfiguren kraftvoll bündeln. Technisch ist die DVD sehr gut.

Stefan Dabrock

26.12.2009

   
Originaltitel Nihon shunka-kô (Japan 1967)
Länge 99 Minuten (Pal)
Studio Polyfilm
Regie Nagisa Ôshima
Darsteller Ichirô Araki, Koji Iwabuchi, Kazuyoshi Kushida, Hiroshi Satô, Kazuko Tajima, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DD 2.0 Mono Japanisch
Untertitel Deutsch
Extras 20seitiges Booklet
Preis ca. 18 EUR
Bewertung sehr gut, technisch sehr gut